Dem Alltag enthoben

Wie der Bund fürs Leben in Möhringen geschlossen wird

 

Der Wonnemonat Mai gilt als klassischer Hochzeitsmonat. Grund genug, sich einmal in Möhringen umzuhören, wie der Bund fürs Leben hier geschlossen wird. Wir haben mit den wichtigsten Menschen gesprochen: Standesbeamtinnen, Pfarrern, einer Hochzeitsplanerin und natürlich frisch getrauten Eheleuten.

 

Von Emily Schwarz

 

107 Paare haben sich im vergangenen Jahr auf dem Standesamt getraut. »Die Zahlen bleiben seit einigen Jahren konstant«, weiß Birgit Heinrich. Sie und zwei weitere Standesbeamtinnen dürfen in Möhringen Ehen schließen: die zukünftige Bezirksvorsteherin Evelyn Weis und Madeleine Dinger. Ort des Geschehens ist der Trausaal, in dem es sonst, wenn der Bezirksbeirat einmal im Monat tagt, eher nüchtern zugeht.

 

Möchten sich die Frischvermählten den Segen Gottes für ihre Ehe einholen (evangelisch) oder sich gegenseitig das Sakrament spenden (katholisch), dann suchen sie entweder Pfarrer Ernst-Martin Lieb in der Martinskirche oder Pfarrer Heiko Merkelbach in St. Hedwig auf.

 

Begeisterung für die Martinskirche

 

In St. Hedwig werden verhältnismäßig selten Trauungen zelebriert. Im vergangenen Jahr haben sich dort nur vier Paare das Jawort gegeben. Mehr als vier Mal so viele Paare, 17, haben aber ein Traugespräch mit Heiko Merkelbach, Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde, geführt, um außerhalb heiraten zu können. »Das liegt oft daran, dass viele Paare in ihre ›alte‹ Heimat gehen, wo ihre Familie und Freunde wohnen, um sich dort trauen zu lassen«, erklärt der katholische Pfarrer. »Vielleicht wird die Hedwigskirche aber von manchen Brautpaaren auch als zu groß empfunden. Sie suchen sich dann eine heimelige Kapelle, in der sie heiraten«, gibt Merkelbach zu bedenken. Deutlich beliebter ist die Martinskirche. Selbst aus dem Umland pilgern künftige Eheleute für den schönsten Tag im Leben hierher. So auch Sabrina und Maxim Weinmann aus Filderstadt. Das Paar hat sich im September 2015 das Jawort in der Martinskirche gegeben, »weil sie einfach eine schöne evangelische Kirche ist«, sind sich die beiden einig. »Sie ist groß, aber man verliert sich nicht darin – egal, ob mit 40 oder 400 Gästen gefeiert wird«, ergänzt Pfarrer Lieb.

 

Freie Trauungen immer beliebter

 

Paare, für die eine kirchliche Zeremonie nicht infrage kommt, denen das Standesamt allein aber zu unromantisch – und mitunter auch zu klein – ist, suchen freie Redner wie Sabine John- Tancredi auf. Vor sechs Jahren hat sie in Degerloch »Traubar« gegründet. Seitdem gestaltet John- Tancredi gemeinsam mit den Brautpaaren individuelle Trauzeremonien, die theoretisch an jedem Ort, sogar im eigenen Garten, stattfinden können. »Die freie Trauung scheint immer beliebter zu werden«, sagt John- Tancredi, »die Anfragen steigen von Jahr zu Jahr.« Auch wenn sie im Zusammenhang mit dem Heiraten ungern von Trends sprechen möchte – es gehe schließlich darum, seine Liebe zu feiern und als Paar eine authentische Feier zu gestalten –, sei genau dies vielleicht schon ein Trend.

 

»Die Wünsche der Brautpaare werden immer individueller«, sagt auch die Frau, die es genau wissen muss: Barbara Burkl. Die Hochzeitsplanerin organisiert seit zwei Jahren von ihrem Büro in der Vaihinger Straße aus Hochzeiten. »Momentan im Trend ist das Selbermachen. Do it yourself, von der Einladungskarte über die Dekoration bis hin zum Brautstrauß «, sagt Burkl, »die Paare möchten ihre eigenen Wünsche umsetzen.«

 

Alte Traditionen gepaart mit individuellem Chic

 

Bei aller Individualität und Modernität gibt es einige alte Traditionen, die gern gepflegt werden. Nicht alle davon sind zeitgemäß. Skeptisch sieht Pfarrer Lieb zum Beispiel den Wunsch vieler Bräute, an der Hand des Vaters zum Altar geführt zu werden. Der ursprünglichen Bedeutung nach hieße das, die Frau werde übergeben und gehe dadurch in den Besitz des Mannes über, kritisiert er. Ein Brauch, der inzwischen eigentlich überholt sein sollte – aber er »isch halt trotzdem schee«, sagt Pfarrer Lieb mit einem Lachen.

 

Pfarrer Merkelbach hingegen bemängelt, dass die religiöse Komponente immer weniger im Vordergrund des Trauwunsches stehe. »Wenn ich merke, dass der Pfarrer nur benötigt wird, um eine stimmungsvolle Hochzeit zu veranstalten, den Brautleuten an der kirchlichen Feier ansonsten jedoch nichts liegt, komme ich mir etwas ausgenutzt vor«, so Merkelbach. Das macht der Pfarrer zum Beispiel daran aus, dass immer weniger Brautpaare ein Ehevorbereitungsseminar besuchen. In diesen Seminaren lernen die angehenden Eheleute Tipps für eine funktionierende Partnerschaft. Das sei wichtig, so Merkelbach, »zumal eine gelingende Ehe ja keineswegs nur einfach Glückssache ist. Man muss dafür etwas tun.« Denn eine Hochzeit ist, wie der Begriff schon sagt, dem Alltag enthoben: zwar ein ganz besonderer Tag – aber eben doch nur ein einziger Tag im (Ehe-)Leben.

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