»Kein Kavaliersdelikt«

Landwirtschaft in Möhringen – 20 Prozent weniger Ertrag in diesem Jahr

 

Landwirtschaftsbetriebe im städtisch geprägten Möhringen: Wie das funktioniert, über die Sorgen und Nöte der hiesigen Landwirte und über die diesjährige Ernte haben wir unter anderem mit Hofbesitzer und Direktvermarkter Axel Brodbeck gesprochen, der sich für die Freien Wähler im Bezirksbeirat und in verschiedenen Vereinen engagiert und zudem Vorstandsmitglied im Bauernverband Stuttgart ist.

 

Von Daniel Stoll

 

Seit zehn Jahren sind die Felderrundfahrten ein fester und beliebter Bestandteil des Möhringer Stadtlebens, so auch Anfang Juli, als von der Martinskirche aus in vier Hängern gestartet wurde. »In den ersten Jahren haben wir für die Tour noch Fahrräder genommen, sind dann aber auf die Traktoren umgestiegen, damit auch ältere Menschen und Kinder mitfahren können«, erklärt Axel Brodbeck. Eine bunt gemischte Schar von gut 60 interessierten Teilnehmern hatte sich diesmal eingefunden, um alles Wissenswerte rund um Anbaumethoden oder Ertragssituation zu erfahren.

 

Und die diesjährige Ernte fällt, milde ausgedrückt, durchwachsen aus. »Wir haben in diesem Jahr 20 Prozent weniger Ertrag als sonst beim Getreide«, bringt es Brodbeck auf den Punkt. Der Grund für die Misere ist die Witterung, die immer öfter und immer extremere Kapriolen schlägt: zu nass im Frühjahr, zu heiß und zu trocken im Sommer bis in den September hinein. Die Auswirkungen sind auch bei Kartoffeln, Obst und Gemüse spürbar. Einzig beim Mais als subtropische Pflanze sei »alles im grünen Bereich, denn warm und trocken ist Maiswetter «, so Brodbeck. Für die Verbraucher seien die Regale zwar gefüllt wie gewohnt, allerdings macht sich die Ernteknappheit bei den Preisen bemerkbar.

 

Er selbst baut queerbeet von Körnermais bis Raps an, »Kürbisse sind allerdings meine Spezialität «, berichtet der Möhringer. Der Verkaufsstand an seinem Hof an der Ecke Filderbahn-/Maierstraße ist von Juni bis November, samstags von 8 bis 12 Uhr, geöffnet. Neben Kürbissen sind dort Blumen, Zucchini sowie Heu und Stroh saisonal im Angebot.

 

Wie bei vielen Landwirten stellt sich auch bei Brodbecks die Nachfolgefrage.

 

Wer folgt nach?

 

Seine drei Kinder, alle über 20, »sind in der Entscheidungsphase «, sagt der Hofbesitzer. »Bei größeren Anschaffungen, beispielsweise eines neuen Traktors für 70 000 Euro, überlegt man sich schon, wie es weitergeht.«

 

Zehn Höfe zählt Brodbeck in Möhringen, alles Familienbetriebe, die ähnliche Zukunftsfragen umtreiben. »Tierhaltung in größerem Maß ist hier wegen der Nachbarn schwierig«, geht er auf die Besonderheit im Stuttgarter Stadtteil ein. Auf dem Reyerhof gibt es zehn Milchkühe und eine Anzahl Kälber – mit überwiegend positiven Rückmeldungen von Anwohnern, berichtet Hofbesitzer Christoph Simpfendörfer –, ein weiterer Hof hält Pensionspferde.

 

Ein Weg, viele Nutzer

 

»Wir Stadtlandwirte haben alle das Flächenproblem, dass wir auf kleinen Parzellen möglichst viel anbauen müssen«, führt Brodbeck aus. Außerdem sei in dicht besiedelten Gebieten das Konfliktpotenzial aufgrund der verschiedenen Nutzer landwirtschaftlicher Wege – Spaziergänger, Jogger, Radfahrer – höher als auf dem Land, so etwa am Rohrer Weg.

 

Diese hohe Frequentierung und überschaubare Anbauflächen stehen denn auch einer intensiveren Nutzung von digitalen Hilfsmitteln (siehe Infokasten) entgegen. Brodbeck führt allerdings ein Tablet zur Flurstückskartierung und Flächenberechnung in seinem Traktor mit. Auch Simpfendörfer spielt mit dem Gedanken, doch ansonsten »haben wir eine andere Philosophie, machen viel von Hand«.

 

Ein leidiges Thema brennt Brodbeck besonders auf den Nägeln – der zunehmende klassische Felddiebstahl. »Auf den Feldern wurde schon Mais abgebrochen oder tütenweise Gemüse gestohlen und mit dem Auto abtransportiert. Das ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Dreistigkeit und eine Straftat.« Immerhin zeige sich die Stadt bemüht und habe einen Ordnungsbeamten mit dem Feldschutz beauftragt.

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