Unvermeidbarer Schritt

Ende des Jahres hat Markus Wolf den Betrieb des gleichnamigen Reformhauses in der Filderbahnstraße 22 aufgegeben. Ein Schritt, der in Möhringen für Aufruhr gesorgt hat – für den zweiten Vorsitzenden des Gewerbe- und Handelsvereins aber unumgänglich war.

 

Von Emily Schwarz

 

Wenn er müsste, würde er genau so wieder handeln. Auch wenn viele diese Entscheidung nicht nachvollziehen können. Markus Wolf führte das Reformhaus, ein traditionsreiches Familienunternehmen, gemeinsam mit seiner Frau Corinna in der dritten Generation. Der Großvater, Erwin Wolf, gründete 1933 das erste Reformhaus auf den Fildern. Vom Vater, Rudolf, übernahm Markus Wolf dann vor sechs Jahren das Geschäft. Mit all seinen Herausforderungen und Problemen, die die Selbstständigkeit und ein sich stetig verändernder Markt, in dem immer mehr Kunden Kaufentscheidungen ausschließlich über den Preis und die Bequemlichkeit einer Paketlieferung treffen, mit sich bringen.

 

Herzblut und Energie trotz herber Rückschläge

 

Wenn Wolf auf die vergangenen sechs Jahre zurückschaut, dann erinnert er sich an viele positive Erlebnisse und Bekanntschaften. Aber auch an aufreibende Zeiten und die Schwierigkeit, als Einzelhändler und Einzelkämpfer auf einem hart umkämpften Markt zu bestehen. „Es war nicht alles leicht. Wir haben einen Onlineshop aus dem Boden gestampft, etwas erreicht, was für unsere Größe richtig gut ist. Wir haben sehr viel Herzblut und Energie hineingesteckt, manchen Rückschlag hingenommen, manchmal auch zwei Schritte zurückgehen müssen, um dafür wieder gestärkt den nächsten nach vorne zu machen“, so Wolf. Doch irgendwann war der Punkt erreicht, an dem es nicht mehr weiterging. Ob er einen Fehler gemacht habe? „Ja“, sagt Wolf im Nachhinein, „der größte Fehler war, dass ich das Geschäft nicht schon 2015 verkauft habe.“ Aber aus ganz unterschiedlichen Gründen – sei es Tradition, sei es Sentimentalität – habe er die Energie noch einmal aufgebracht. „Selbstständigkeit bedeutet nicht nur Verantwortung gegenüber anderen, sondern auch, dass man selbst dann noch Entscheidungen treffen muss, wenn man eigentlich denkt, dass es schlimmer nicht mehr geht. Entscheidungen treffen, die zum eigenen Wohl besser sind, statt wie bisher weiterzumachen“, resümmiert Wolf heute.

 

Grenzen der Selbstständigkeit

 

Auch für seine Familie, Corinna und die beiden Kinder Philipp und Julia, hat Wolf schließlich die Reißleine gezogen. „Meine Frau und unsere Kinder haben viel einstecken müssen. Das Los der Selbstständigkeit mag mancher sagen – ja, dem gebe ich Recht. Nur kann das ein Außenstehender nicht beurteilen, was das für einen selbst bedeutet“, so Wolf. „Viele unserer Kunden sind selbstständig. Manche arbeiten mit Herzblut und haben Erfolg in dem, was sie machen; manche arbeiten mit Herzblut, sind aber in einer Spirale gefangen und sehen manchmal das Ende nicht.“ Mit der Verantwortung für eine Familie, für zwei Kinder, gehe es aber nicht mehr nur ums Herzblut. „Von dem, was ich erwirtschafte, müssen vier Menschen leben können“, sagt der Familienvater, „ich möchte wieder der Papa sein, den meine Kinder verdient haben.“

 

Erhalt der Attraktivität der Filderbahnstraße

 

Nun ist aus dem Reformhaus Wolf also das Reformhaus Kaliss geworden. Inhaber Stephan Kaliss führt neben der Filiale in der Filderbahnstraße noch zehn weitere Reformhäuser in der Region. Wolfs Frau Corinna arbeitet weiter als Filialleiterin im Möhringer Reformhaus.

 

„Vielleicht endet damit ein Stück Tradition“, sagt Wolf. Aber eigentlich auch wieder nicht – denn mit dem Verkauf an Kaliss, ebenfalls ein Familienunternehmen, das in der dritten Generation inhabergeführt wird, hat Wolf es geschafft, dem Bezirk und der Filderbahnstraße ein Reformhaus zu hinterlassen.

 

Weiterhin ehrenamtlicher Vorsitz im GHV

 

Das freut auch den ersten Vorsitzenden des örtlichen Gewerbe- und Handelsvereins (GHV). „Wir bedauern die Geschäftsaufgabe von Markus Wolf, sind aber froh, dass er sich aktiv um eine sinnvolle Lösung gekümmert hat“, sagt Christian Dempf. „Ein Leerstand auf der Haupteinkaufsstraße wäre sicherlich nicht schön gewesen“, so Dempf. Die Attraktivität der Filderbahnstraße zu erhalten ist seit jeher ein Anliegen des GHV. Dass auch die Arbeitsplätze im Reformhaus erhalten bleiben und kein Mitarbeiter entlassen werden musste, bewertet der GHV-Vorsitzende ebenfalls sehr positiv. Wolf wird außerdem sein Amt als zweiter Vorsitzender im GHV beibehalten. Und deshalb appelliert er auch wie eh und je an die Möhringer: „Kommt weiterhin in das Geschäft in der Filderbahnstraße, bleibt dabei: Kauft vor Ort!“

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