Angekommen in der neuen Heimat

Die ersten Flüchtlinge sind im Lautlinger Weg eingetroffen und wurden willkommen geheißen

 

Es ist quirliges Leben eingekehrt in die bereits bestehenden beiden Systembauten im Lautlinger Weg: Am 7. Januar haben die ersten 46 Flüchtlinge die Busreise von der Erstaufnahmestelle in Karlsruhe nach Möhringen angetreten, wo ihnen Caritas-Vertreter und zahlreiche Mitglieder des Freundeskreises Flüchtlinge ein herzliches Willkommen bereiteten. Bereits im Dezember hatten die Bezirksbeiräte bei einer Besichtigung die Unterkünfte in Augenschein genommen.

 

Von Daniel Stoll

 

Schon seit dem frühen Morgen sind Haupt- wie Ehrenamtliche eifrig zugange, richten ein Büfett her, kümmern sich um die Erstausstattung der Bewohner: Eimer, Töpfe, Geschirr und Besen, Hygieneartikel und andere organisatorische Dinge. Gegen Mittag dann trifft der Bus mit den Neuankömmlingen ein. Nach der ersten Begrüßung herrscht sogleich betriebsames Gewusel in dem langen Flur des niegelnagelneuen Systembaus. Man versammelt sich im großen Gemeinschaftsraum, wo zunächst das Gepäck verstaut wird. Ein erstes Kennenlernen, ein erstes Beschnuppern, erste Kontaktaufnahmen. Die Stimmung ist größtenteils locker, gelöst – nicht selbstverständlich bei den schweren Schicksalen und Odysseen, die nicht wenige der Asylsuchenden hinter sich haben. Es wird gelacht und gescherzt, sogar für Fotos posiert.

 

Tina Jongkind-Schweitzer vom Sozialamt behält den Überblick und weiß genau, wer denn jetzt eigentlich hier ist: Aus Kamerun, Nigeria, dem Irak, Somalia, Togo, dem Iran, China, Gambia, dem Kosovo, Bosnien und Serbien stammen die Menschen. Möhringen ist auf einen Schlag sehr viel bunter geworden. 27 der 46 Neubürger kommen als Familien an, der Rest sind Alleinstehende. Zudem sorgen 13 Kinder zwischen einem und 13 Jahren für Leben. So dauert es auch nicht lange, bis die Rutsche im Außenbereich zwischen den beiden Systembauten entdeckt und in Beschlag genommen wird. Und die liebevoll zusammengestellten Geschenkpäckchen finden bei den Kleinen dankbare Abnehmer.

 

Verzögerter Einzug

 

Vom Zustand und der Ausstattung der modernen Systembauten hatten sich Vertreter des Bezirksbeirats, des Sozialamts und Liegenschaftsamts bereits am 17. Dezember ein Bild gemacht. Der ursprünglich anvisierte Einzug am 29. Dezember wurde wohlweislich um einige Tage auf Anfang Januar verschoben. So konnten ohne allzu viel Hektik die letzten handwerklichen Tätigkeiten ausgeführt und die Einweihung vorbereitet werden.

 

Ein großer Gemeinschaftsraum steht zur Hausaufgabenbetreuung, Sprachförderung oder Ähnlichem zur Verfügung. Sollte dieser Raum nicht ausreichen, können die Kirchen und Vereine weitere Räumlichkeiten für Kleingruppen anbieten. Gemeinsam gegessen wird hier allerdings nicht. »Unsere Erfahrungen aus den 1990er-Jahren zeigen, dass ein solches Gemeinschaftsessen nicht angenommen wird«, berichtet Gerhard Bock vom Sozialamt. »Das hätte zu sehr den Charakter einer Zwangs-WG.« Die Gebäude sind zweistöckig und bestehen jeweils aus zwei Wohngruppen, einer Küche pro Stockwerk sowie mehreren Badezimmern und WCs. Es gibt Dreibettzimmer und Familienzimmer mit Verbindungstüren, nicht zu vergessen Büros für Caritas-Mitarbeiter. Diese werden zu den üblichen Bürozeiten stets vor Ort sein und ein offenes Ohr für die Bewohner,aber auch für interessierte Bürger haben. »Das Tor wird immer offen stehen«, betont Bock. Die Heimleitung kontrolliert, wer sich gerade im Haus aufhält und wer einen Schlüssel hat. »Der Einsatz eines Wachdienstes wird hoffentlich nicht nötig sein«, meint auch Bezirksvorsteher Jürgen Lohmann.

 

Wie in Feuerbach wurde auch in Möhringen eine Erweiterung der angedachten Unterkunftsplätze genehmigt. In südlicher Richtung wird ein dritter Systembau voraussichtlich im Spätsommer errichtet, sodass letztlich insgesamt 243 Menschen eine neue Bleibe im Lautlinger Weg finden werden (wir berichteten). Dafür wurde die bisher von der EnBW gepachtete Fläche auf rund 7400 Quadratmeter nahezu verdoppelt. Darauf wird dann auch eine Spielfläche entstehen, die der Verein Kukuk-Kultur spendet. »Das wird ein Ort der Begegnung, der für alle Möhringer frei zugänglich ist«, erklärt Axel Wolf vom Liegenschaftsamt. Die potenziell gefährliche Nähe zu den Gleisen soll durch Zäune, die Anlegung einer Hecke sowie akustische Signale so weit wie möglich entschärft werden. Der Pachtvertrag für das Gelände läuft zunächst bis Ende 2019. Die Baukosten für die Erweiterung gibt die Stadt mit 1,6 Millionen Euro an, die Kosten für die Pacht mit 53 000 Euro im Jahr.

 

Enorme Hilfsbereitschaft

 

»Auf dem Gelände sind zwei Pkw-Stellplätze vorgesehen«, führt Solveigh Schuch, Projektleiterin der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG), aus. »Die Bewohner selbst haben keine Kraftfahrzeuge, es wird nicht viel Publikumsverkehr geben.« Und Bock ergänzt: »Wir sollten das wenige Gelände, das wir haben, nicht auch noch mit Parkplätzen zupflastern. « Damit die Neuankömmlinge zumindest ansatzweise selbstständig und mobil sein können, haben die Bürger bereits Fahrräder gespendet. Überhaupt haben die Möhringer schon im Vorfeld eine sympathische Hilfsbereitschaft an den Tag gelegt: »Die Drähte sind heißgelaufen von Menschen, die Sachspenden leisten wollten«, ist der evangelische Pfarrer und Sprecher des Freundeskreises Flüchtlinge, Winfried Maier-Revoredo, begeistert. »Da mussten wir letztlich sogar auf die Bremse treten.« Von Vorteil ist, dass die Firma Züblin einen Lagerraum in unmittelbarer Nähe zur Verfügung gestellt hat. Geldspenden werden allerdings nach wie vor benötigt und gern angenommen. Dazu kann sich jeder an die katholische oder evangelische Kirchengemeinde wenden. »Die Spenden werden garantiert für den dafür vorgesehenen Zweck verwendet«, bekräftigt Maier- Revoredo.

 

Kaum sind die ersten Unterkunftsplätze belegt, warten auf die Bewohner auch schon die ersten bürokratischen und organisatorischen Aufgaben wie Kontoeröffnungen oder die Beantragung von Bonuscards. Dabei stehen ihnen die Mitarbeiter der Caritas mit Rat und Tat zur Seite. Bei den nächsten anstehenden Schritten, allen voran der Sprachförderung, werden sie von den Mitgliedern des Freundeskreises Flüchtlinge unterstützt.

Freundeskreis

Wer sich dem Freundeskreis anschließen möchte oder an einer Spende interessiert ist, kann sich an Pfarrer Maier-Revoredo, E-Mail Winfried.Maier- Revoredo@ev-kirche-moehringen. de, Telefon 0711/ 7 28 60 54 wenden.

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