Anne-Frank-Schule: „Man kann die Schuld nicht auf die nächste Generation verschieben“

 

Im November hatte die Anne- Frank-Gemeinschafts- und Realschule (AFGRS) den HolocaustÜberlebenden Garry Fabian zu Gast. Er sprach 90 Minuten zu den drei 10. Klassen der Schule. Die Schüler hörten dem Zeitzeugen aufmerksam zu, als er berichtete, dass seine Familie schon nach den Nürnberger Gesetzen (1935) von Stuttgart in das Sudetenland ausgewandert ist. „Wir hofften, dort sicher zu sein.“ Doch als die Deutschen auch Tschechien besetzten, flüchteten Vater, Mutter und Sohn nach Prag, wo sie sich zunächst versteckten. Aber auch das half nichts.

 

Die Fabians wurden 1942 von Prag in das KZ Theresienstadt deportiert. Dort lebten sie zusammengepfercht mit 40 000 anderen Juden in einem Dorf mit ehemaliger Festung, die normalerweise 4000 Einwohner beherbergte. Hier musste der erst achtjährige Garry, der damals noch Gerhard hieß, in der Schneiderei mithelfen und Uniformen von gefallenen Soldaten umarbeiten.

 

Auf die Frage eines Schülers, wie er die schlimme Zeit im KZ empfunden habe, meinte Fabian: „Als Kind hat man keinen richtigen Vergleich, wie es besser sein könnte. Ich hatte ja noch gar kein Leben vorher gelebt. Wir wussten schon, dass das alles sehr schlimm um uns herum war, aber wir nahmen es hin. Wir kannten noch nichts anderes.“ Als ein anderer Schüler fragte, ob er denn auch Freunde im KZ gehabt habe, antwortete er: „Man war sehr vorsichtig mit Freundschaften und vertraute sich nur wenigen Menschen an. Man wusste ja nie, ob derjenige am nächsten Tag überhaupt noch da war. Das hat mich und meinen Umgang mit Menschen bis heute geprägt.“ Fabian betonte, dass es heute, nach über 70 Jahren, besonders wichtig sei, mit jungen Leuten über die Geschichte und deren grausame Seiten zu sprechen. Nachdem die Fabians, die alle drei wie durch ein Wunder überlebt hatten, nach Australien ausgewandert waren, kam Garry mehrfach zurück in seine Heimat Deutschland. „Während meiner ersten Besuche habe ich mich bei jedem älteren Menschen gefragt, was er wohl gemacht hat, während wir Juden deportiert, gequält und brutal ermordet wurden.

 

Heute mache ich das aber nicht mehr. Man kann die Schuld der Großeltern nicht auf die nächste Generation übertragen“, so Fabian im Gespräch. „Ich habe deshalb später auch wieder die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Das heutige Deutschland ist ja auch ganz anders als der damalige NS-Unrechtsstaat!“ „Zeitzeugen wie Garry Fabian laden wir zu uns ein, weil sie uns diese Geschichte noch einmal ganz anders bewusst machen können. Wer die Geschichte nicht kennt, ist gezwungen, sie zu wiederholen“, sagt Lehrer Holger Viereck, der diese Veranstaltung organisiert hat.

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