Auf Spurensuche

Die Aufarbeitung des historischen Wappens beginnt

 

Die aufgeflammte Diskussion um das historische Wappen der Gemeinde Möhringen a. d. Fildern beschäftigt den Stadtbezirk. Mit der Aufarbeitung zur Entstehung und Entwicklung des Wappens hat eine Kulturwissenschaftlerin nun begonnen. Ein Gespräch. 

 

MA: Frau Weis, Bezirksamt und Bezirksbeirat haben sich Unterstützung geholt ... Evelyn Weis: Natürlich haben wir anfangs in den eigenen Archiven Informationen gesichtet, um uns einen Überblick zu verschaffen. Gleichzeitig möchte ich anmerken, dass wir als Verwaltung des Stadtbezirks dem komplexen Thema einer umfassenden Aufarbeitung nicht gerecht werden können. Die verschiedenen Stellen, an denen Material archiviert und gesammelt wurde, sind sehr gestreut und die Papiere inhaltlich komplex. Für eine umfängliche und gewissenhafte Aufarbeitung sind wir letztendlich in Kontakt mit dem Kulturamt getreten. 

 

Frau Seidu, wie gehen Sie ein Projekt wie dieses an? Nadine Seidu: Zunächst tragen wir Informationen aus dem Stadtarchiv und dem Landesarchiv zusammen. Dann waren wir lange im Gespräch mit verschiedenen Universitäten und haben Historiker aufgesucht. Momentan laufen Gespräche mit einer Agentur für historische Projekte, die wir vielleicht beauftragen werden. Historiker in solchen Agenturen übernehmen zeitintensive Recherchen, die andere Institutionen aus Kapazitätsgründen nicht leisten können. 

 

Mit welchen Herausforderungen werden Sie konfrontiert? 

 

Seidu: Generell gilt: Der Blick in die Akten ist aufwendig. Viele Prozesse müssen überhaupt nicht dokumentiert werden. Darüber hinaus muss man sich bewusst machen: Selbst wenn in einem Bereich vor einigen Jahren mal geforscht worden ist, geht man heute mit einem ganz neuen Blick heran. Oft kann die eine Version gar nicht gefunden werden, die die unumstößliche Klarheit bringt. Es gibt selten Fälle, die wir ganz „abhaken“ können. Was jetzt konkret das Wappen betrifft, ist der Aufwand sehr hoch, weil wir nicht nur in Stuttgart recherchieren müssen, sondern auch in Tübingen, Esslingen und Böblingen, je nachdem, wo die Gemeinde Möhringen a. d. Fildern zu jener Zeit zugehörig war. 

 

Welcher Zeithorizont ist für die Aufarbeitung gesetzt? 

 

Seidu: Das ist sehr schwer zu sagen. Wir wissen nicht, ob wir neue Quellen finden und was uns erwartet. Eine Aufarbeitung ist ein Prozess, es können je nach Erkenntnisgewinn ganz neue Ideen aufkommen. Ich denke, dass wir bis Ende dieses Jahres einen Eindruck bekommen werden, in welche Richtung es gehen wird.

 

Was ist am Ende das Ziel? 

 

Weis: Wir möchten eine Diskussionsgrundlage. Der Bezirksbeirat hat klar formuliert, dass die Entstehung und Entwicklung des Wappens im jeweiligen historischen Kontext zu sehen sind. Wir gehen davon aus, dass das Wappen im Laufe der Zeit zeichnerisch weiterentwickelt wurde. Diese Entwicklung möchte der Bezirksbeirat durch ein Gutachten mit untersuchen lassen. 

 

Seidu: Im Prinzip geht es bei den meisten unserer Projekte darum, eine Diskussionsgrundlage zu schaffen. Deshalb wurde die Koordinierungsstelle letztes Jahr überhaupt erst geschaffen. In Stuttgart kamen mehrere erinnerungskulturelle Themen mit ähnlichem Charakter auf. Die Stadtgesellschaft braucht aber Informationen, um einen Diskurs führen zu können. Wir müssen erst einmal die historische Forschung leisten, um in etwa abschätzen zu können, welche Konnotation die Abbildung eventuell in der Zeit ihrer Entstehung hatte.

 

Was macht für Sie in dem Fall ein gutes Ergebnis aus?

 

Weis: Ein gutes Ergebnis ist für mich, so viel wie möglich über die Entstehungsgeschichte des Wappens in Erfahrung zu bringen. Seidu: Die Vielschichtigkeit von Geschichte aufzeigen und für die Öffentlichkeit zugänglich machen zu können, ist ein großer Punkt. 

 

 

Erinnerungskultur in Stuttgart 

Die Koordinierungsstelle Erinnerungskultur, die erst seit Juni 2021 besteht, ist beim Kulturamt der Landeshauptstadt angesiedelt. Ihre Aufgabe ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung der Stadt mit ihrer Geschichte, mit der Geschichte des Nationalsozialismus, des Holocausts und des Kolonialismus. In der Koordinierungs-stelle arbeiten Nadine Seidu und seit Anfang dieses Jahres noch eine weitere Kulturwissenschaftlerin an verschiedenen Projekten. Mit Beschluss des Doppelhaushalts 2022/ 2023 hat der Stuttgarter Gemeinderat festgelegt, dass der Koordinierungsstelle 150.000 Euro im Jahr an Sachmitteln zur Verfügung stehen: „Entscheidend forciert werden damit unter anderem die Einrichtung eines stadtweiten Netzwerks und die strategische Aufarbeitung von weißen Flecken der Erinnerung in Stuttgart.“ Ein Schwerpunkt dabei: die Beschäftigung mit der Rolle Stuttgarts als „Knotenpunkt des Kolonialen“. 

Von Emily Schwarz 

 

(Artikel aus Möhringen Aktuell, KW 11/2022)

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