Bahnhofsareal im Wandel

Aus einstigen Bahnbetriebsflächen wird ein „urbanes Quartier“ mit ÖPNV-Anschluss

 

Im Dezember ist der alte Lagerschuppen neben dem Bahnhofsgebäude abgerissen worden – das vorletzte bauliche Zeugnis einer vergangenen Epoche, als Möhringen noch eine bedeutende Funktion im regionalen Güterverkehrsnetz hatte. Hier soll in den nächsten Jahren ein modernes Wohnhaus entstehen. Auch weiter östlich auf dem Filderbahnplatz ist ein großes neues Mehrzweckgebäude geplant.

 

Von Sonja Mailänder

 

Viel hat sich in den letzten Jahren rund um den Möhringer Bahnhof verändert – und weitere größere Neubauvorhaben stehen in den nächsten Jahren an. Erste Tatsachen dafür wurden im Dezember mit dem Abbruch des Güterschuppens am Ende der Filderbahnstraße geschaffen. Errichtet wird dort laut der „Bietigheimer Wohnbau GmbH“ ein fünfgeschossiges Gebäude mit „innovativem Energiekonzept“, das 22 Wohnungen unterschiedlicher Größe, eine Gewerbeeinheit sowie eine Tiefgarage umfassen soll.

 

Hingegen ist anstelle des geschlossenen Kiosks östlich des Bahnhofs von der „Baugenossenschaft Friedenau“ ein vierstö ckiges Mehrzweckgebäude geplant, in dessen Erdgeschoss auch die Fahrrad-Service-Station des Sozialunternehmens „Neue Arbeit“ ihre Räume bekommen soll. Im ersten und zweiten Stock sind Büros vorgesehen. Hinzu kommen acht Wohnungen im Obergeschoss und eine Tiefgarage. Im Zuge der Neubebauung ist außerdem eine Umgestaltung des Filderbahnplatzes beabsichtigt, der zukünftig autofrei bleiben und eher parkartigen Charakter erhalten soll. Für den Verkehr ist vor dem alten Bahnhofsgebäude eine Wendeplatte und Bushaltestelle geplant. Insgesamt stellt das Konzept somit eine Fortsetzung der boulevardartig ausgebauten Filderbahnstraße hin zu einem neuen „urbanen Quartier“ dar. Wer heute am Möhringer Bahnhof ein-, um- oder aussteigt, ahnt nichts davon, dass dieser einst nicht nur im Personennahverkehrsnetz, sondern auch beim regionalen Gütertransport einen zentralen Knotenpunkt darstellte.

 

Wie alles entstand

 

Dahinter stand Ende des 19. Jahrhunderts das Bestreben mehrerer Fildergemeinden, einen besseren Anschluss an das Württembergische Eisenbahnnetz und eine Verbindung zum Stuttgarter Stadtzentrum zu erlangen. Bereits 1884 war die Zahnradbahn zwischen Marienplatz und Degerloch eröffnet worden. Und nachdem durch die eigens gegründete „Filderbahn- Gesellschaft“ schon 1888 die erste Dampfstraßenbahn von Degerloch über Möhringen nach Hohenheim in Betrieb genommen wurde, weihte man zusammen mit den Linien von Möhringen nach Vaihingen und Neuhausen am 24. Dezember 1897 das bis heute erhaltene Bahnhofsgebäude ein. In Möhringen wurde ein Betriebshof mit Wagenhallen, Lokschuppen, Werkstätten und Elektrizitätswerk eingerichtet. Bis 1920 erfolgte die Elektrifizierung sämtlicher Strecken; der Dampfbetrieb wurde eingestellt.

 

Vor allem in den Anfangsjahren erwies sich der Bahnanschluss für Möhringen und andere Filderdörfer als ganz entscheidender Vorteil, da ein Erreichen des Stuttgarter Zentrums zuvor ja nur zu Fuß oder mit Fuhrwerken möglich gewesen war. In der Industrie fanden dort viele einen neuen Arbeitsplatz. Mit den Zügen konnte außerdem der Güter- und damit Handelsverkehr ganz erheblich ausgeweitet werden. Begünstigt durch die verbesserte Verkehrsanbindung siedelten sich auch in Möhringen selbst, insbesondere am damaligen Ortsrand, Manufakturen und später Industriebetriebe oder ihre Filialen an, in denen immer mehr Menschen Beschäftigung bekamen. Der Bahnhof entwickelte sich zum Dreh- und Angelpunkt des Personen- und Gütertransports, wofür er mit diversen Lagerräumen, Schuppen, Verladegleisen und Ähnlichem ausgestattet wurde.

 

Ende des Güterverkehrs

 

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg ersetzten mehr und mehr Lkws den Gütertransport durch die Filderbahn, sodass der Verkehr zwischen Degerloch über Möhringen nach Hohenheim sowie nach Neuhausen in den 1960ern eingestellt wurde. Noch bis 1981 verfrachtete ein Zug jedoch Express- und Stückgut zwischen Möhringen und Vaihingen, wo ein Staatsbahnanschluss bestand.

 

Nach der endgültigen Stilllegung des Güterverkehrs entfernte man nach und nach die Lagerräume und Verladeflächen am Möhringer Bahnhof. Ebenso wurden die Werkstätten und die alte Wagenhalle mit der Umstellung der schmalspurigen Gelenktriebwagen auf die modernen Stadtbahnen als Betriebshof unbrauchbar. Zwischen den Gleisen steht heute das Studentenwohnheim. Nördlich der Gleise wurden mit der Neugestaltung der Probststraße Wohnanlagen sowie das Alten- und Pflegeheim St. Barbara errichtet. Mit dem Abriss des alten Güterschuppens neben dem Bahnhofsgebäude ist im Dezember schließlich das vorletzte bauliche Zeugnis einer vergangenen Epoche verschwunden.

Zurück

Einen Kommentar schreiben