Bank zu hoch zum Sitzen

Seit 14 Jahren steht in der Kolbäckersiedlung eine restaurierte „Gruhe“

 

Rund 50 Jahre hatten die Überreste einer steinernen Ruhbank vergessen und unbeachtet in einem Vorgarten in der Märzenbaumstraße 8 geschlummert, bis sie mit Unterstützung des Garten- und Friedhofsamts und des Steinmetzen Dieter Haug Ende 2005 wieder aufgestellt werden konnte. Sie war früher nicht die einzige in Möhringen.

 

VON SONJA MAILÄNDER

 

Wer öfter mit der U-Bahn in Richtung Plieningen unterwegs ist, oder schon anderweitig in der Kolbäckersiedlung vorbeikam, dem mag sie aufgefallen sein: die wuchtige Steinbank an der Ecke Gammertinger/Märzenbaumstraße. Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine gewöhnliche moderne, meist von der Stadtverwaltung aufgestellte Sitzgelegenheit, die man heute zum Beispiel an Spazierwegen oder in Parks findet. Vielmehr geht es um eine historische Ruhbank, die viel zu hoch ist, um sich darauf niederzulassen.

 

Ruhbank am Wegesrand

 

Zum Hinsetzen war sie auch nie gedacht; vielmehr wurden auf ihr früher schwere Lasten, etwa Körbe, vom Kopf oder Rücken in geeigneter Höhe abgeladen und von dort wieder aufgenommen. Vor über 100 Jahren waren solche Abstellbänke noch sehr wichtig, denn von der einfachen Bevölkerung, die sich damals kein Lasttier leisten konnte, mussten Güter zu Fuß von einem Ort zum anderen transportiert werden. Da bot eine solche Ruhbank am Wegesrand eine willkommene Möglichkeit zum Verschnaufen. Nach dem schwäbischen Wort „gruoben“ für „ausruhen“ wurden sie hierzulande unter anderem auch „Gruobbank“, „Gruobstett“ oder „Gruhe“ genannt. Außerdem dienten sie natürlich als Treffpunkte, an denen Neuigkeiten oder auch Waren ausgetauscht wurden. Ältere Leute können sich in Möhringen noch an zwei Gruhen erinnern: Die eine davon ist die wiedererrichtete am Märzenbaum; die andere stand an der Linde bei der ehemaligen Hansa in der Sigmaringer Straße.

 

Standorte der Gruhen

 

Auf der ersten Ausgabe der topografischen Karte im Maßstab 1: 25 000, die für Möhringen im Jahr 1899 vom damaligen Königlichen Württembergischen Statistischen Landesamt herausgegeben wurde, finden sich um den Ort aber allein zehn Eintragungen mit der Abkürzung „Rhb“ für Ruhbank. Alle befanden sich an Wegen, die aus dem Ort hinaus- beziehungsweise in ihn hineinführten – die meisten an den größeren Hauptstraßen, oft an Kreuzungen. Jedoch stellten auch einige der heute kleineren Wege früher wichtige Verkehrsverbindungen oder Abkürzungen dar. Betrachtet man die einstigen Standorte auf einer aktuellen Landkarte, so fällt auf, dass die meisten von ihnen heute innerhalb bebauter Bereiche oder zumindest sehr nahe am Ortsrand liegen. Dies erklärt sich durch das starke Siedlungsflächenwachstum Möhringens während des 19. Jahrhunderts durch neue Wohn- und Gewerbegebiete.

 

Bemerkenswerter Überrest

 

Mit der Eisenbahnanbindung 1888 und später mit dem Aufkommen von Automobilen – insbesondere von Traktoren und Lastwagen – wurden die Gruhen mehr und mehr überflüssig. Fast niemand mehr trug nun zu Fuß seine Produkte nach Stuttgart auf den Markt oder seine Ernte vom Feld nach Hause. Im Gegenteil: Sie entwickelten sich teils sogar zu Verkehrshindernissen und wurden bei Straßenverbreiterungen und anderen Baumaßnahmen entfernt. Bemerkenswert erscheint es daher, dass ausgerechnet in einem Möhringer Vorgarten, und nicht etwa irgendwo an einem Feldweg, ein letzter Überrest einer solchen Gruhe erhalten geblieben ist. Zwar war die Bank sehr wahrscheinlich schon bei der Errichtung der Wohnhäuser in der Märzenbaumstraße zerstört worden; dann aber blieben ihre Steine dort mehr als 50 Jahre lang liegen. Vielleicht waren sie zu schwer für den Abtransport gewesen oder man hatte sie schlichtweg vergessen.

 

Schwerer Sandsteinblock

 

Bei der Gruhe am Märzenbaum handelt es sich um einen rund zwei Meter langen und etwa eine halbe Tonne schweren Sandsteinblock. Ihre Errichtung erforderte die Arbeit eines Steinmetzen und eines Schmieds und außerdem noch von einigen Männern, die beim Verladen und Aufstellen der Steine halfen. Falls noch jemand im Besitz eines Gruhe- Fotos sein sollte oder weitere Informationen zum Thema geben kann, bitte bei der Autorin melden per Mail an Wiedererrichtung der Gruhe im Dezember 2005. so.mailaender@t-online.de.

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