Der einzige Treffpunkt

Teil 2: Das „Corona-Jahr“ im Kinder- und Jugendhaus Fasanenhof

 

Nachdem vor einigen Wochen Andreas Bernhard vom Kinderund Jugendhaus Möhringen erzählt hat, wie das „Corona-Jahr“ bei ihnen ablief, berichtet nun Maria Schneider. Werfen wir einen Blick in den Fasanenhof.

 

Von Emily Schwarz

 

MA: Frau Schneider, wie haben Sie als Leiterin des Kinder- und Jugendhauses den Lockdown im Frühjahr erlebt?

Maria Schneider: Wir mussten schließen. Das war eine prägende Zeit und für unser Team schon schlimm. Zwar haben wir versucht, über andere Angebote Unterstützung zu geben, zum Beispiel gab es Basteltüten oder wir haben uns über die Online- Plattform Zoom zwei bis drei Mal täglich zum Zirkustraining mit den Kids verabredet. Aber das hat vieles nicht ersetzen können.

 

Was meinen Sie damit konkret?

Wir sind jeden Tag eine Runde durch den Stadtteil gelaufen. Dabei haben wir viele Kinder, Jugendliche, aber auch Eltern getroffen. Die hatten ein großes Redebedürfnis. Da hat man gemerkt, dass es vielen einfach nicht gut geht. Das war für uns natürlich frustrierend. Gerade das, wofür wir da sind, konnten wir nur teilweise tun.

 

Waren Online-Angebote denn gar kein Ersatz?

Das große Problem: Virtuell erreichen wir nur einen Bruchteil. Manche haben keine Lust drauf, bei anderen fehlt schlichtweg der Zugang. An einem gut besuchten Tag tummeln sich hier im Haus um die 100 Besucher, an einem schlecht besuchten immer noch 30. Beim virtuellen Basteln hatten wir vielleicht fünf Kinder zugeschaltet. Das ist einfach nicht dasselbe, wie wenn wir sie hier im Haus haben. Obwohl sie es gerade in dieser Zeit nötig gehabt hätten.

 

Was ist Ihnen in der Zeit nach dem Lockdown aufgefallen?

Wir stehen in engem Kontakt mit der Fasanenhofschule. Dort haben wir erfahren, für wen wir nach der Zeit der Schulschließung Nachhilfe anbieten sollten. Ich bin ziemlich erschrocken darüber, wie groß die Defizite bei einigen waren! Manche Eltern konnten ihren Kindern – zum Beispiel aufgrund von Sprachbarrieren – nicht helfen. Und ein Erstklässler kann sich Plusrechnen auch nicht selbst beibringen.

 

Wie war es im Sommer?

Wir haben Glück: Weil unser Haus eine relativ große Grundfläche hat, konnten wir immer die maximal erlaubten Besucher reinlassen. Trotzdem mussten – und müssen – wir immer wieder Kinder und Jugendliche wegschicken. Das ist schlimm für uns.

 

Wie sieht es aktuell aus?

Momentan kommen die Kinder und Jugendlichen in festen Gruppen zu uns, maximal dürfen es 30 Personen sein, inklusive Betreuer. Es gibt nach wie vor eine Maskenpflicht. Einige Kinder kommen jetzt nicht mehr, da haben die Eltern Sorge vor einer möglichen Ansteckung. Die, die trotzdem kommen, sind oft auch einfach froh, von zu Hause rauszukommen.

 

Heißt das, es kommen andere Besucher als vor der Pandemie?

Zum Teil. Auf jeden Fall kommen mehr Ältere. Vor allem seit den Beschränkungen, die Anfang November in Kraft getreten sind. Das Kinder- und Jugendhaus ist der einzige Ort, an dem sie sich legal treffen können. Dieses Zu-Hause- Abhängen-Müssen widerspricht jedem Teenie-Grundbedürfnis. Und dann gibt es auch die Jugendlichen, die nicht mal ein eigenes Zimmer haben …

 

Der Fasanenhof wird oft als „Problemstadtteil“ bezeichnet. Sehen Sie das auch so?

Bei uns gibt es schon immer ein sehr gemischtes Publikum. Klar haben wir Häuserblocks, aber wir haben auch Einfamilienhäuser mit Trampolin im Garten. Dadurch ergeben sich ganz unterschiedliche Problemlagen. Mir hat zum Beispiel eine Mutter erzählt, deren Kinder wirklich sehr gut behütet aufwachsen, dass ihr Kind so unter den Kontaktbeschränkungen leidet, dass es jede Nacht mit Albträumen aufwacht. Auf der anderen Seite gibt es die Flüchtlingsunterkünfte, wo die Bewohner auf engstem Raum mit zum Teil vier, fünf Kindern leben und dann womöglich in Quarantäne müssen. Das kann man sich kaum vorstellen. So haben alle ihre Themen und ganz unterschiedliche Probleme.

 

Welches Thema hat die Jugendlichen besonders beschäftigt?

Sich nicht treffen zu können, ist besonders hart. Außerdem haben viele Jugendliche das Gefühl, sie wurden von der Politik nicht gehört, ihre Bedürfnisse nicht ernst genommen. Nicht wenige haben Existenzängste entwickelt. Normalerweise holen sich viele Jugendliche Rat und Unterstützung von außen. Gerade die Monate von März bis Juni sind entscheidend in der Bewerbungsphase. Wir hatten noch nie so viele Kids wie dieses Jahr, die nach den Sommerferien keine Ahnung hatten, wie es bei ihnen weitergeht.

 

Und wie geht es im Kinder- und Jugendhaus weiter?

Wir planen und machen, was wir dürfen. Klar kann es kein Lichterfest mit 500 Besuchern geben und keinen Backhaussonntag mit 80 Besuchern, aber mein Team und ich sind kreativ, flexibel und motiviert, neue Sachen zu entwickeln.

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