Die Grande Dame Möhringens

Gerda Strunk (96), Journalistin und Alt-Stadträtin der SPD, hat viel bewegt

 

Sie hat vor über 45 Jahren nicht nur den Christkindlesmarkt ins Leben gerufen, Gerda Strunk hat damals auch mit „ihren Frauen“ für einen Wochenmarkt in Möhringen gekämpft – denn die Möhringer waren zunächst alles andere als begeistert.

 

Von Corinna Pehar

 

„Möhringen braucht einen Wochenmarkt“ – diese Forderung prangte von den Sandwichplakaten, die von etwa 20 Frauen die Filderbahnstraße rauf- und runtergetragen wurden. Mittendrin Gerda Strunk: „Vor dem damaligen Coop haben wir wie wahnsinnig Unterschriften gesammelt, hier spielte sich das politische Leben ab“, erinnert sie sich lebhaft.

 

Die heute 96-Jährige hat den derzeit durch seinen Umzug auf den Spitalhof in die Schlagzeilen geratenen Möhringer Wochenmarkt ins Leben gerufen. Im ganzen Umland sei sie unterwegs gewesen, um nach geeigneten Beschickern zu suchen. Das sei schon nicht einfach gewesen, doch die größte Herausforderung war: „Die Möhringer selbst!“ Ihre Befürchtung: Der Markt könne den ansässigen Handel ruinieren. „Sie wollten keinen Wochenmarkt – der Möhringer ist kein Typ für solche Aktionen und mag erst mal keine Veränderungen.“

 

Eine „Nei‘gschmeckte“ wird Stadträtin in Stuttgart

 

Diese Überzeugungsarbeit habe die Journalistin, die am 15. Oktober 1945 in die SPD eintrat, schlussendlich weiter politisiert, sodass sie sich für den Gemeinderat aufstellen ließ. Als „Nei‘gschmeckte“ – sie ist im Erzgebirge geboren, im Sudetenland und in Oberschlesien groß geworden, arbeitete unter anderem in der sowjetisch besetzten Zone bei der KPD-Zeitung – wurde sie im Alter von 36 Jahren auf Anhieb gewählt. „Das war schon ein kleines Wunder und nach einigen Anläufen war der Wochenmarkt die erste Sache, die ich durchgesetzt habe“, erzählt Gerda Strunk, die heute in Degerloch lebt und die sich in ihren insgesamt 15 Jahren als Stadträtin einen Namen gemacht hatte. Ihr Markenzeichen damals wie heute: die rote Mütze.

 

„Die Möhringer muss man überzeugen“

 

Kommunalpolitisch für Möhringen vereint – trotz unterschiedlichem Parteibuch – war der mittlerweile verstorbene CDUStadtrat Hans Wagner. „Er war ein richtiger Möhringer, eine treue Seele und er hatte das Herz am rechten Fleck“, erinnert sich Gerda Strunk. So habe er sich nicht nur gemeinsam mit ihr für den Wochenmarkt starkgemacht, sondern auch für den 1975 von ihr gegründeten Christkindlesmarkt – den ersten rein karitativen Weihnachtsmarkt in Stuttgart. „Und“, jetzt muss sie lachen, „die Möhringer waren hierfür zunächst auch nicht so leicht zu erwärmen – die Möhringer muss man überzeugen.“ Das ist ihr gelungen, denn heute stellt der Christkindlesmarkt ein großes Highlight im Veranstaltungskalender dar. „Leider war 2020 das erste Jahr, in dem er aufgrund der Pandemie ausfallen musste“, bedauert die Alt-Stadträtin. 15 Jahre lange hat sie den Christkindlesmarkt selbst betrieben. Außerdem war sie Mitglied im Möhringer Bürgerverein und hat in Sonnenberg eine Galerie gegründet.

 

10.000 Frauen strömten ins Rathaus

 

Sie hat aber auch „unten in Stuttgart“ für Furore gesorgt, wie zum Beispiel 1983 mit den erfolgreichen Fraueninformationstagen, wo über 10.000 Besucherinnen von 81 Verbänden ins Rathaus strömten und drei Tage das Regiment übernahmen. Und, wen wundert‘s: Sie kannte Willy Brandt und Helmut Schmidt persönlich. Denn weitere Stationen ihres bewegten Lebens waren in Hannover und später in Bonn, wo sie mit ihrem früh verstorbenen Mann Helmut Strunk, ebenfalls Journalist, im Ostbüro der SPD arbeitete. Die Arbeit legt sie auch heute nicht nieder: In den letzten Jahren hat sie „Geschichte & Geschichten: Eine Dokumentation der Arbeiterwohlfahrt in Stuttgart von 1919 bis 2019“ geschrieben und vor Kurzem hat sie einen Projektbeitrag zur Biografie über ihren gefallenen Vater Fritz Jäger verfasst.

 

Pro oder kontra?

Gerda Strunk gehört zu den Gegnern des neuen Wochenmarkt- Standorts: „Ein solches historisches Kleinod wie den Spitalhof, die Idylle, verhunzt man nicht mit Aktivitäten, die ihn überfordern. Das heißt im Kleinen: eine Hocketse und dergleichen ja, ein Wochenmarkt nein.“ Außerdem ist die 96-Jährige die Erste, deren Name Initiator Manfred Korn stellvertretend für sie auf die Liste hat schreiben lassen. Diese wird er an den kommenden Samstagen auf dem Markt auslegen.

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