„Ein Mal reiche ich die Hand“

Martin Rathgeb ist seit einem halben Jahr Leiter des Polizeireviers 4

 

Seit 1. Juli vergangenen Jahres leitet Martin Rathgeb das Polizeirevier 4 in der Balinger Straße, das für fünf Stadtbezirke und damit für insgesamt rund 139 000 Bürger zuständig ist. Wir haben mit dem neuen Chef über den Umgang mit Bürgern, den Stellenwert des Streifendienstes, seine Vorsätze für das noch junge Jahr und vieles mehr gesprochen.

 

Von Daniel Stoll

 

Inzwischen hat sich der „Neue“ in den Stadtbezirken bekannt gemacht. Im vergangenen September war Möhringen an der Reihe, wo er im Bezirksbeirat unter anderem seinen Werdegang und seine beruflichen Stationen bei der Bereitschafts- und Kriminalpolizei und als Kriminaloberrat im Polizeipräsidium Ludwigsburg schilderte (wir berichteten).

Sein Vater Günther werde immer Vorbild für ihn bleiben, sagt Martin Rathgeb. „Die Zeit war allerdings eine andere.“ Es war unter anderem die Zeit des Stammheim- Prozesses in den 1970er- Jahren, währenddessen der Senior die Stuttgarter Schutzpolizei leitete und für seinen umsichtigen Führungsstil und die Einführung der sogenannten Stuttgarter Linie hochgeschätzt wurde.

Für Sohn Martin hat ebenjene Stuttgarter Linie – Präsenz, Deeskalation, Berechenbarkeit – auch heute noch ihre Gültigkeit: „Jeder Straftäter soll wissen: In Stuttgart bin ich dran.“

 

In sein neues Amt möchte er aber durchaus seine eigenen Vorstellungen einbringen. „Mein Vorgänger hat hervorragende Arbeit geleistet. Als Kripomann kann ich allerdings manches aus einem anderen Blickwinkel angehen“, erklärt Rathgeb. „Man steht Veränderungen oftmals kritisch gegenüber. Aber nur weil etwas schon immer so war, heißt das nicht, dass man nichts hinterfragen sollte.“

 

Kontakte, Kontakte

 

„Mit de Leut reden“ ist für den Schwaben Rathgeb das A und O. Und das hat sich mittlerweile in Möhringen und Umgebung herumgesprochen: „Ich bekomme wahnsinnig viel Anrufe von Bürgern.“ Wie überall gebe es dabei „sodde und sodde“, auch bei Einsätzen oder Begegnungen auf der Straße. Respektlosigkeit beobachtet er dabei weniger bei Jugendlichen und berichtet von einer Anekdote mit einer Frau mittleren Alters, die neben ihm an einer Fußgängerampel wartete. Trotz des unübersehbaren uniformierten Beamten neben sich passierte sie den Überweg bei Rot und reagierte, auf ihr Verhalten angesprochen, mit einer pampigen Antwort.

 

Beleidigungen seien Polizisten durchaus vermehrt ausgesetzt, „wobei ich mich auch nicht von jedem und durch jede emotionale Entgegnung beleidigt fühle“, betont Rathgeb. Anders als bei verbalen Entgleisungen gebe es bei körperlichen Übergriffen keinerlei Akzeptanz. Von der zunehmend beklagten Gewalt gegen Einsatzbeamte sei sein Revierbereich glücklicherweise bislang verschont geblieben, sagt der 50-Jährige.

 

Um dennoch stets gewappnet zu sein, steht die Eigensicherung für jeden Beamten an erster Stelle: Die Schutzweste gehört heute ebenso selbstverständlich zur Standardausrüstung wie der teleskopartige Einsatzschlagstock.

 

Nicht, dass die Ausrüstung in Möhringen besonders erforderlich wäre: Nach Einschätzung des Revierleiters existieren hier keine nennenswerten Brennpunkte – weder bei Jugendlichen noch bei Obdachlosen noch bei den Flüchtlingsunterkünften.

 

Streife ist Pflicht, nicht Kür

 

#Dennoch hat Rathgeb durchaus Bekanntschaft mit unangenehmen, auf Krawall gebürsteten Zeitgenossen gemacht: „Ich reiche genau ein Mal die Hand. Wenn sie mir verweigert wird, war‘s das.“ Und dann werden andere Saiten aufgezogen – „denn im Zweifel sitzt die Polizei am längeren Hebel“. Allerdings vermittelt der neue Chef nicht den Eindruck, dass er besonders schnell aus der Ruhe zu bringen ist. Dennoch hat er sich für 2017 vorgenommen, etwas mehr Gelassenheit an den Tag zu legen, möglichst alle Kollegen kennenzulernen und regelmäßig in Dienstgruppen mitzufahren.

 

„Streife ist Pflicht“, verdeutlicht Rathgeb und spricht sich dabei eindeutig für gemischte Besatzungen aus, sofern dies vom Personal her machbar sei. „Es kann Einsätze geben, in denen gerade die Summe der geschlechterspezifischen Stärken zum Erfolg führt.“ Aus der Bevölkerung habe es jedenfalls bislang keine einzige negative Rückmeldung bezüglich des Streifendienstes gegeben, freut sich Rathgeb.

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