Ein Mann mit vielen Talenten

Künstler Gerhard Tagwerker feiert am 19. Februar seinen 90. Geburtstag

 

Gerhard Tagwerker ist weit über die Stadtgrenzen Leinfelden-Echterdingens hinaus bekannt. Der freischaffende Künstler hat sich mit der Ausgestaltung von über 100 Kirchen im Südwesten einen Namen gemacht.

 

Gerhard Hugo Robert Tagwerker wurde 1932 in Klagenfurt geboren. Nach der Trennung der Eltern zieht die Mutter mit dem zweijährigen Gerhard ins nordböhmische Teplitz-Schönau. Elf Jahre später wurden die Deutschen vertrieben. Gerhard Tagwerker, Sohn eines Österreichers, war „neutral“ gestellt – und will seiner Mutter folgen. Er besorgt sich falsche Papiere. Dem tschechischen Exekutionskommando entkommt er nur knapp, wird neben den Toten liegen gelassen.

 

In Eisenach macht er das Notabitur, geht im Anschluss nach Bamberg, wo er sich zum Bildhauer und Barock-Stuckateur ausbilden lässt. Er arbeitet am Bamberger Dom, in Wallfahrtskirchen und Schlössern. Dann kommt die Währungsreform und mit ihr die Suche nach Arbeit. Er landet bei der Bodensee Schifffahrtsgesellschaft. In der Zeitung liest Tagwerker, dass für den Wiederaufbau der Stiftskirche in Stuttgart Spezialisten für Gotik gesucht werden. So kommt er Anfang der 1950er-Jahre in die Landeshauptstadt. Hier lernt er seine Frau Katharina kennen, die ihn ermuntert, Kunst zu studieren. Tagwerker absolviert erst ein Grafikstudium an der Freien Akademie Merz und wechselt dann an die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Das Studium finanziert er durch Auftritte als Jazzmusiker. Die Leidenschaft für Jazz hatte ein amerikanischer Offizier in ihm geweckt. In Würzburg studierte Tagwerker Musik – Bass, Posaune und Schlagzeug – und fühlt sich mit der Klassik ebenso verbunden wie mit dem Jazz. Er hörte Größen wie Louis Armstrong und David Oistrach, die zur Betreuung der amerikanischen Truppen kamen. „Das war unglaublich.“ Später unterrichtet er am Gymnasium in Filderstadt 26 Jahre lang nebenberuflich Bildende Kunst und ruft die Jazz AG ins Leben.

 

Von 1963 an ist Tagwerker als freischaffender Künstler tätig, gestaltet im selben Jahr seine erste Kirche in Böblingen. Die moderne Handschrift Tagwerkers kam allerdings nicht gut an: „Nicht tragbar“ urteilte das bischöfliche Ordinariat in Rottenburg. Er gestaltet die Bundesgartenschau 1977 in Stuttgart mit, wird von Oberbür-germeister Manfred Rommel in den Beirat zum verantwortlichen Grabstättengestalter berufen. „Das machte Eindruck bei der Diözese.“ Er wird wieder engagiert, 1980 sogar zur Audienz bei Papst Johannes Paul II. geladen. Werke von Tagwerker sind in Kirchen und Schlössern, auf Friedhöfen und in Parks zu sehen. Er lebt und arbeitet in Echterdingen.

 

Info:

Vom 20. Februar bis zum 15. Mai ist die Ausstellung „Skulptur und Kunst am Bau – Gerhard Tagwerker zum 90. Geburtstag“ im Stadtmuseum in Echterdingen, Hauptstraße 79, zu sehen. Öffentliche Führung mit dem Künstler am Sonntag, 6. März, 15 Uhr. Öffnungszeiten: sonntags 10.30 bis 12.30 Uhr und 14.30 bis 17.30 Uhr. Eintritt frei.

 

Von Emily Schwarz

 

(Artikel aus Möhringen Aktuell, KW 07/2022)

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