Ein verschwundenes Handwerk

Vor bald 50 Jahren stellte der letzte Möhringer Küfer seinen Betrieb ein (Teil 2)

 

In der vorigen Ausgabe haben wir über das Leben und Wirken des „Küfermarte“ und seiner Nachkommen berichtet. Außer seiner wurde auch die vor 110 Jahren von Wilhelm Kugel gegründete Küferwerkstatt in den 1970er-Jahren geschlossen.

 

Wilhelm Kugel wurde am 4. Mai 1882 in Oberjettingen bei Herrenberg geboren. Als 14-Jähriger begann er beim Stuttgarter Küfermeister Ernst Schilling in der Hohenheimer Straße eine Küferlehre, die er nach drei Jahren und acht Monaten erfolgreich beendete. Nachdem er daraufhin fünf Jahre bei der Karmeliterbrauerei in Esslingen gearbeitet hatte, kam er im Jahr 1905 als Küfergeselle und Bierbrauer zur damaligen Brauerei von Carl Widmaier nach Möhringen. Dort verblieb er auch nach Verkauf dieses Betriebs an die Brauerei „Wulle“ 1912 noch für zwei weitere Jahre. Nebenher richtete er sich jedoch bei seinem Schwiegervater Gottlieb Heck, dem Wirt der „Post“, in der damaligen Stuttgarter und heutigen Sigmaringer Straße 44 eine Küferwerkstatt ein, die er zunächst nebenberuflich in den Abendstunden nach seiner Arbeit bei „Wulle“ nutzte. Bald reichten ihm jedoch die Aufträge zur Neuanfertigung und Reparatur von Bierfässern zum alleinigen Einkommen aus.

 

Küferwerkstatt beim „Doktorhaus“

 

Im Jahr 1919 kaufte Wilhelm Kugel gemeinsam mit seinem Schwager Otto Heck das Nachbargrundstück und -gebäude mit der Nummer 46 und verlegte seine Werkstatt dort zunächst in den einstigen Pferdestall und ins Kutscherhäuschen. Sechs Jahre später erstellten die beiden Männer dann hinter dem Hauptgebäude, dem sogenannten „Doktorhaus“, einen Neubau für die Küferei und Mosterei. Letztere wurde von beiden gemeinsam betrieben, nachdem ihre vorherige Unterbringung, eine alte Scheune bei der Nummer 44, abgerissen werden musste. Zwei Jahre später bestand Wilhelm Kugel bei der Handwerkskammer Stuttgart die Meisterprüfung der Küferei.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte Wilhelm dank der großen Nachfrage nach neuen Fässern, Krautstanden, Zubern und Bottichen sein Geschäft ausbauen. Unterstützt wurde er dabei von seiner nach zweimaliger Verwitwung dritten Ehefrau Emma und seinem Sohn Fritz aus zweiter Ehe, der 1945 als 14-Jähriger ebenfalls eine Küferlehre begann. Als allerdings bereits Anfang der 1950er-Jahre der Bedarf wieder zurückging, richteten sie zu der Werkstatt eine Weinhandlung ein, die Fritz und Emma Kugel nach dem Tod Wilhelms 1954 weiter bewirtschafteten und deren Verkaufsraum in der Sigmaringer Straße 46 bis heute besteht. Fritz legte 1955 die Meisterprüfung ab und eröffnete nach dem Besuch der Weinbauschule in Weinsberg 1958 zusätzlich eine Brennerei. Zusammen mit seiner Frau Ruth vergrößerte er über die Jahre das Getränkesortiment und den Kundenservice noch weiter. Als es schließlich an Lagermöglichkeiten mangelte, riss man das alte Küferei- und Mostereigebäude ab und erstellte bis 1976 einen Neubau mit Abholmarkt, Brennerei und Mosterei. Aufgrund des zunehmenden Aufkommens von billigeren und pflegeleichteren Plastikfässern wurde die Küferei nun völlig eingestellt. nbsp]

 

Sonja Mailänder

 

(Artikel aus Möhringen Aktuell, KW 05/2022)

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