Es klapperten die Mühlen

Einst gab es in Möhringen zwei Mühlen an der Körsch: Die Obere Mühle (Teil 1)

 

Läuft oder fährt man heute vom Steinbrunnen ausgehend die Straße „Im Schießgärtle“ am Südhang des Körschtals entlang, trifft man nach etwa 400 m rechterhand auf das „Café Liebenswert“. An der Hauswand des Gebäudes trägt eine unscheinbare Holztafel den Schriftzug „Obere Körschmühle“. Eine Mühle ist hier heute aber weit und breit nicht mehr zu sehen oder zu hören. Vor 100 Jahren war dies noch anders.

 

Von Sonja Mailänder

 

Die Obere Körschmühle wurde im Jahr 1750 von Johann Jakob und Anna Barbara Kraus mit zwei Mahlgängen und einem Gerbgang damals noch weit außerhalb der Ortschaft Möhringen errichtet. Mit einem Durchmesser von 12 Metern besaß sie ab Anfang des 20. Jahrhunderts ein riesiges, oberschlächtiges Wasserrad mit unterirdischem Ablauf, das sich innerhalb eines Anbaus an der Ostseite des Hauses befand. Angetrieben wurde es durch den Abfluss eines kleinen aufgestauten Sees, den ein von Weiden gesäumter Mühlkanal von Westen her speiste. Er verlief entlang der heutigen Straße „Im Schießgärtle“. Hierzu wurden Sindelbach und Aischbach vor ihrem natürlichen Zusammenfluss in der Tiefenlinie des Körschtals gefasst und hangparallel umgeleitet.

 

Noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts lieferten Möhringer und Vaihinger Landwirte sowie ab dem 19. Jahrhundert auch anderer Filderorte ihr Korn in die Obere Mühle, um es zu Mehl mahlen zu lassen. 1938 musste der Mühlbetrieb jedoch eingestellt werden – wohl vor allem auf Grund der Konkurrenz durch die nun aufkommenden elektrisch angetriebenen Mühlen. Schon vorher hatte es immer wieder Probleme gegeben, wenn der Mühlkanal in trockenen Sommern zu wenig Wasser führte. Nachdem er seine Funktion verloren hatte, wurde er mitsamt dem Mühlsee zugeschüttet. Ab Ende der 60er Jahre entstand auf den vormaligen Streuobstflächen oberhalb davon das Salzäckerwohngebiet. Zu dem nach Aufgabe der Müllerei rein landwirtschaftlich genutzten Anwesen gehörten bis zu seinem Abbruch im Jahr 1972 zwei Gebäude: die frühere Mühle und eine östlich daneben errichtete Scheuer, deren Dachstuhl vom Weg her ebenerdig zugänglich war. Letzter Mühlenbesitzer war Paul Brodbeck, dessen Enkelin Bärbel Rückle mit Familie bis heute in dem hier neu errichteten Wohnhaus lebt und vor zweieinhalb Jahren das „Café Liebenswert“ darin einrichtete. Am Standort des Mühlengebäudes erstreckt sich heute steiles Gartenland.

 

Mannfigur

 

Im nördlichen Zwerchgiebel des Wohnhauses wurde als ein Relikt aus dem Fachwerk der einstigen Mühle der senkrechte Mittelbalken der so genannten „Mannfigur“ übernommen. Eingekerbt finden sich darauf das Errichtungsjahr 1750 und die Namen des Erbauerehepaars Johann Jakob und Anna Barbara Kraus(en) sowie der des Zimmermanns Johann Georg Keiser. Außerdem ist das Zunftzeichen des Müllers dargestellt, zu dem Gegenstände gehören, die zum Bau eines Mühlrads erforderlich waren. Dies war eine anspruchsvolle Aufgabe, denn Mühlräder mussten sehr genau bearbeitet werden, damit sie gleichmäßig rund liefen.

 

Zu sehen ist ein geöffneter Zirkel zum genauen Ausmessen, ein Schabeisen zur Bereinigung kleiner Unregelmäßigkeiten bei der Holzbearbeitung sowie zwei Spannhaken zum provisorischen Zusammenhalten des Mühlrads, damit dieses nicht zusammenfiel, wenn man daran arbeitete. Die Obere Körschmühle liegt am „Kleinen Hexenweg“ (Faltblatt erhältlich im Bezirksrathaus Möhringen).

 

Öffnungszeiten „Café Liebenswert“: Donnerstag bis Sonntag (14 bis 18 Uhr), bis Ende November Freitag bis Sonntag (14 bis 16:30 Uhr, nur Mitnahme von Kuchen und Getränken).

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