Fünf „Fenster zur Welt“

Kunstverein Gästezimmer zeigt Werke seiner Mitglieder – hinter Fensterscheiben

 

Vor 21 Jahren starteten fünf Kunststudenten ein Projekt: das Gästezimmer. Im alten Straßenbahndepot am Möhringer Bahnhof zeigten sie Kunst. Daraus ist ein Verein gewachsen, der im zweiten Jahr der Pandemie kreativ in Sachen Ausstellungsort wird.

 

Von Emily Schwarz 

 

Neue Herausforderungen erfordern neue Wege. Weil es mit der großen Ausstellung zum 20-jährigen Bestehen im vergangenen Jahr nichts wurde – ja, das lag am Virus –, haben sich Michelin Kober und ihre Mitstreiter für einen ungewöhnlichen Ausstellungsort entschieden: Die Fenster im oberen Stockwerk des Gebäudes, in dem der Kunstverein Gästezimmer beheimatet ist. An der Vaihinger Straße 140, über einem Autohändler, werden von April bis November verschiedene Mitglieder des Vereins ihre Werke in jeweils sechs Wochen lang der Öffentlichkeit präsentieren: vier Projekte unter dem Titel „Fenster zur Welt“. Fünf Fenster, alle zwei Quadratmeter groß – das hat Wirkung. 

 

Bis Ende Februar haben die Mitglieder noch Zeit, sich zu bewerben. Eine Jury wird dann entscheiden, wer ab April ausstellen darf. „Zwei, drei Vorschläge gibt es schon“, erzählt Michelin Kober. „Wir freuen uns auf das, was kommt. So sind wir unabhängig von Corona und den Auflagen.“ 

 

2021 wird keine andere Ausstellung im „Gästezimmer“ stattfinden. mehr als die fünf Fenster ist nicht geplant. Dieses Jahr soll das Jahr der Mitglieder sein. 

 

Wie alles begann

 

Anfang des Jahrtausends startete das „Gästezimmer“ als studentischer Projektraum der Künstlergruppe Filderbahnfreundemöhringen FFM. Im alten Straßenbahndepot in Möhringen, in einer Garage für U-Bahnen, stellten fünf Studierende der Kunstakademie Stuttgart auf nur zwölf Quadratmetern ihre Werke aus. Eine von ihnen war Michelin Kober. „Als Studierende standen wir dort das erste Mal auf eigenen Beinen“, erinnert sie sich. „Das ging so zwei, drei Jahre. Als wir dann bei der Stadt nach finanzieller Unterstützung fragten, wurde uns geraten, einen Verein zu gründen.“ Und das taten sie. 2004 wurde der Kunstverein Gästezimmer eingetragen. Gästezimmer, weil die Atmosphäre eines Besuchs bei Freunden beibehalten werden sollte. 

 

Als das Backsteingebäude am Möhringer Bahnhof einige Jahre später abgerissen wurde, zog der Verein in den Westen, in einen ehemaligen Boxerraum in der Seyfferstraße. Später wurden für Ausstellungen leerstehende Wohnungen für einige Wochen angemietet. 2011 dann der Umzug zurück nach Möhringen in den ersten Stock an der Vaihinger Straße 140. 

 

Auf den 60 Quadratmetern finden Ausstellungen statt, ansonsten haben ein paar Mitglieder hier ihre Ateliers. „Als Künstlerin arbeite ich allein im Atelier, für meine Arbeit sind die Auflagen relativ egal“, sagt Kober. „Aber das im Verein kein Austausch mehr stattfinden kann, das bedauern wir sehr.“

 

Normalerweise veranstaltet der Kunstverein drei bis vier Ausstellungen im Jahr, eine davon für Vereinsmitglieder.

 

Um die 60 Mitglieder hat der Verein inzwischen, viele davon aus Stuttgart, einige aus ganz Deutschland. Etwa die Hälfte sind Kunstschaffende. Kober: „Wir haben zahlreiche Fördermitglieder, was der Entstehung des Vereins geschuldet ist. Viele, die uns als Studenten unterstützen wollten, sind dabei geblieben.“ Ab April wird jeder, der die Vaihinger Straße entlangfährt oder -geht die Möglichkeit haben, einen Blick auf verschiedene künstlerische Positionen zu werfen. Das Gästezimmer wird zum Schaufenster und die Passanten damit vielleicht einen Augenblick vom Geschehen ablenken.

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