»Halali« der Paragrafenreiter

Das Schicksal des Flüchtlings Djilali Hadj treibt Möhringer Mitmenschen um

 

Dies ist eine traurige und zugleich ärgerliche Geschichte über menschliches Leid, bürgerschaftliches Engagement und Bürokratenwillkür in unserer direkten Umgebung. Es geht um den marokkanischen Flüchtling Djilali Hadj und seine deutschen Helfer. Vor zweieinhalb Jahren haben wir schon einmal an dieser Stelle über ihn berichtet ...

 

Von Klaus Grundgeiger

 

Die Fakten – so wie sie einer von weit über 400 Mitbürgern unterschriebenen Petition an Innenminister Thomas Strobl und das in der Sache zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe entnommen sind. Wer es ausführlich lesen will, findet unter »Informationen « die Quelle.

 

Djilali wurde 1989 geboren. Nach dem Tod der Eltern und mangels Überlebensperspektive floh er – noch nicht 15-jährig – im Schlauchboot nach Spanien, 2006 weiter nach Frankreich und – um eine richtige Ausbildung zu erhalten – 2009 nach Deutschland. In Stuttgart meldete er sich bei der Polizeibehörde; Jugendamt und Sozialamt übernahmen seine Betreuung. Nachdem er intensiv Deutsch gelernt hatte, besuchte der junge Marokkaner die Robert-Mayer-Schule, erhielt dort im Abschlusszeugnis sogar eine Belobigung.

 

Ehrenamtliche Hilfe erhielt er seit dieser Zeit durch den Stuttgarter Bildungspaten und Betreuer junger Flüchtlinge, Günter Königsdorf. Dieser konnte Djilali ein Praktikum bei der Schlosserei Kurt Beck in der Leinenweberstraße vermitteln. Chef Bernd Bruchmann war mit dem verlässlichen und eifrigen Djilali so zufrieden, dass er ihm vor nunmehr exakt drei Jahren eine Ausbildung zum Metallbauer, Fachrichtung Konstruktionstechnik, zusagte.

 

So weit so gut. Aber nun begann ein bis heute andauernder Behördenkrieg, der zulasten dieses nachweislich kooperationsund integrationsbereiten Flüchtlings auszugehen droht.

 

Stationen der behördlichen Willkür

 

Djilali beantragte mithilfe von Günter Königsdorf am 9 . Januar 2014 beim damaligen Ministerium für Integration Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis. Erst nach elf Monaten wurde ihm mitgeteilt, dafür sei das Innenministerium zuständig. Erneuter Antrag am 19. Januar 2015. Diesmal die abschlägige Antwort, »dass keine dringenden humanitären oder persönlichen Gründe die weitere Anwesenheit des Herrn Hadj im Bundesgebiet rechtfertigen.« Es folgen weitere Versuche von Günter Königsdorf bei Ministerien, Ämtern, Schreiben an Ministerpräsident Winfried Kretschmann und OB Fritz Kuhn, ein dritter Brief an das Regierungspräsidium Karlsruhe. Alles erfolglos, teilweise banal abgeschmettert. Am 4. September 2015 antwortet das Regierungspräsidium, Djilali Hadj habe »unzureichend« daran mitgewirkt, sich einen Pass zu beschaffen – den aber brauche man, um ihn abschieben zu können. Königsdorf erkundigt sich beim marokkanischen Generalkonsulat in Frankfurt und erfährt, dass man Djilali Hadj nicht als Marokkaner anerkennen könne, da er keine Geburtsurkunde habe.

 

Die Petition fragt dazu ironisch: »Wie denn auch: ein elternloser Junge, der mit knapp 15 im Schlauchboot geflohen ist, der miterleben musste, wie neben ihm Menschen, darunter auch Säuglinge, starben und ins Meer geworfen werden mussten? Und wie sollte er jetzt, so viele Jahre später, marokkanische Papiere beschaffen?«

 

Trotz allem hält die Schlosserei Beck ihre Zusage aufrecht. Der verzweifelte Flüchtling hätte noch im September dieses Jahres seine Ausbildung dort beginnen können – wenn er denn doch noch eine Aufenthaltsgenehmigung mit Arbeitserlaubnis bekommen hätte. Darum haben Hunderte Menschen mit ihrer Unterschrift an den Innenminister gebeten, auch im Namen von Günter Königsdorf und des Ehepaars Bruchmann, das die Möhringer Schlosserei Beck führt.

 

Aber dann, so heißt es Mitte Oktober in der Petition, kam kürzlich im gestelzten Beamtendeutsch vom Regierungspräsidium Karlsruhe »eine harsche, paragrafengespickte Vorladung zur Durchführung des Aufenthaltsgesetzes samt Verfügung« Djiali habe sich bei seiner »algerischen Heimatbehörde« ein Identitätspapier zu beschaffen, da er »ausreisepflichtig « sei. In dieser Vorladung stimmte weder die Heimatbehörde (nicht Algerien) noch die Anschrift des jungen Marokkaners.

 

Und nun ist Djilali verschwunden

 

Dann meldet sein Betreuer: »Wenige Tage, nachdem Djilali Hadj vom Regierungspräsidium das Schreiben erhalten hat, dass er abgeschoben werden soll, ist er nicht mehr zu erreichen.« Vermutlich sei er »in die Illegalität gegangen«. Die Verfasser und Unterzeichner der Petition, mit ihnen Günter Königsdorf, die Familie Bruchmann und viele Leser aus Möhringen fragen sich: Gelten denn wirklich nur Paragrafen, zählt das Schicksal dieses integrationsbereiten Marokkaners nichts?

Informationen

Wer den Inhalt der Petition und deren »Schicksal« ausführlich lesen will, findet sie bei »Change.org«, der weltweit größten unabhängigen Kampagnenplattform im Internet auf:

https://www. change.org/p/sichere-zukunft- für-djilali-hadj

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