„Heilbrönnle“ zum Freibad

Geschichte der Freizeitattraktion reicht weit in die Vergangenheit zurück (Teil 1)

 

Wer heute das Möhringer Freibad besucht, wird sich kaum Gedanken darüber machen, wann und weshalb es gerade an dieser Stelle erbaut worden ist. Anders als zu erwarten wäre, wurde sein Standort nicht von langer Hand geplant, sondern hat einen historischen Ursprung. Schon vor Jahrhunderten soll hier Heilwasser aus einer Quelle gewonnen worden sein.

 

Von Sonja Mailänder

 

In den Württembergischen „Jahrbüchern für Geschichte, Geographie, Statistik und Topographie“ berichtete der ehemalige Unteramts-Arzt Möhringens Dr. Elsässer 1829 von einem mit Steinen eingefassten Brunnen bei einer alten Linde, der sich „eine kleine Viertelstunde“ südwestlich des Orts in der Flur „Frauenkirch“ befunden haben soll. Nach seinen Untersuchungen wurde er von drei nah beieinanderliegenden Quellen des dort der Körsch zufließenden Steinbachs gespeist. Sein Wasser sei klar, geruchlos und von einem „ziemlich faden Geschmack“ gewesen, weshalb man es weniger zum Trinken als zum Baden verwendete. Gemäß einer chemischen Analyse der darin gelösten Stoffe konnte diesem Wasser zwar kein bestimmter Nutzen für den menschlichen Körper zugeschrieben werden, jedoch wurde dem „Heilbrönnle“ bereits seit Jahrhunderten medizinische Wirkung nachgesagt. So sollen Bäder darin bei kleinen Kindern gegen rachitische Symptome, besonders gegen dicke Bäuche und gegen Beschwerden beim Zahnen und Laufenlernen geholfen haben. Als Nebenwirkungen wurden vom örtlichen Wundarzt allerdings leichte Durchfälle und Schlaflosigkeit festgestellt, weshalb Mütter Kinder unter einem Jahr nur in verdünntem Wasser des Brunnens badeten. Ferner sollen Bäder darin auch Erwachsenen bei trockenen Ausschlägen und allgemeiner Nervenschwäche geholfen haben.

 

Restauration und Badenanstalt

 

Auf Grundlage dieser Erfahrungen erbaute der Schneidermeister Friedrich Wagner im Jahr 1899 neben dem Brunnen an der früheren Tübinger, heutigen Hechinger Straße die Restauration und Badeanstalt „Zum Heilbrunnen“. In acht Warmbadewannen konnte hier die (vermeintliche) medizinische Wirkung des Wassers genossen werden. 1919 erwarb Karl Steck die Einrichtungen und ergänzte die Badstuben durch ein Freibecken, das unter Karl Hoch nach 1930 noch erweitert wurde. Schon ab Anfang des 20. Jahrhunderts reichte allerdings die Schüttung der angeblichen Heilquelle für den Badebedarf nicht mehr aus. Im Zweiten Weltkrieg zerstörte dann ein Bombenangriff die gesamte Anlage. Dank der Tatkraft einiger Mitglieder des 1933 gegründeten „Schwimmclubs Möhringen“ wurde das Freibad jedoch bereits bis 1946 wieder instand gesetzt.

 

Historie der Liebfrauenkapelle

 

Ihren Namen erhielt die Flur „Frauenkirch“, auf der sich heute das Freibad befindet, nach der Liebfrauen- oder Marienkapelle „Unsere liebe Frau im Steinenbach“, die einst vermutlich etwas südlich davon stand. Ihr Bau geht auf die Überlieferung zurück, wonach dort im 15. Jahrhundert ein Junge vom Wagen fiel und tödlich verunglückte. Daraufhin ließ sein Vater, ein Möhringer Bürger, an der Stelle einen Gedenk- oder Bildstockstein errichten, an dem sich in der Folgezeit verschiedene Wunder vollzogen haben sollen. Dass diese mit der in unmittelbarer Nähe befindlichen Heilquelle zusammenhingen, wäre möglich, ist aber nicht nachweisbar. In jedem Fall entwickelte sich der mythische Ort zum Ziel von Feldprozessionen und Bittgängen. Wenige Jahre später wurde dort eine spitztürmige Kapelle errichtet, die 1495 geweiht und vom Möhringer Spital mit Haus, Hof, Scheuer und Pfründen versehen wurde. Allerdings wurden diese bereits zur Reformation Mitte des 16. Jahrhunderts wieder aufgelöst und die daraufhin nicht mehr genutzte Kapelle verfiel mit der Zeit. Ihre steinernen Überreste wurden nach und nach abgetragen und beim Hausund Mauerbau in Möhringen verwendet. Beispielsweise findet sich bis heute in der Mauer an der Ecke Oberdorfplatz/Pezoldstraße das „Sandsteinmännle“, eine gotische Sandsteinfigur mit Bart und Barett, die vermutlich von der Liebfrauenkapelle stammt.

 

(Artikel aus Möhringen Aktuell, KW 25/2021)

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