Keine Trend-Diät

Die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft (DZG) hat ihren Sitz im Industriegebiet Vaihingen- Möhringen. Ein Interview mit Pressesprecher Michael Mikolajczak.

Von Emily Schwarz

Herr Mikolajczak, wie wirkt sich Gluten-Unverträglichkeit aus?

Michael Mikolajczak: Die Zöliakie ist eine Autoimmun-Erkrankung, bei der der Körper Gluten nicht verträgt. Gluten ist ein Klebereiweiß, das in den gängigen Getreidesorten vorkommt. Ist ein Mensch an Zöliakie erkrankt und nimmt Gluten zu sich, führt das zu einer entzündlichen Reaktion im Dünndarm. Viele Menschen kämpfen sich mit Bauchschmerzen, Übelkeit, Blähungen, Erbrechen und Durchfällen durchs Leben, ohne die Ursache zu kennen. Die DZG rät bei diesen Symptomen zu einem Arztbesuch. Aber auch Wachstumsstörungen, mangelnde Konzentration, Appetitlosigkeit, Mangelerscheinungen, Antriebslosigkeit und Missmut zählen mit zu den häufigsten Symptomen.

Welcher Verzicht glutenhaltiger Nahrungsmittel fällt besonders schwer?

Dinkel, gefolgt von Weizen, Grünkern, Gerste und Roggen, hat den höchsten Gluten-Gehalt. Der Verzicht auf glutenhaltige Backwaren fällt den meisten Erkrankten besonders schwer. Glutenfreie Backwaren unterscheiden sich in Geruch und Konsistenz sehr von glutenhaltigen Backwaren. Auch die Umstellung auf glutenfreies Bier ist für viele Betroffene sicher nicht einfach.

Wie ist der Markt für alternative Lebensmittel?

Weil sich neben den an Zöliakie Erkrankten auch viele gesunde Menschen bewusst glutenfrei ernähren, wächst die Zahl derer, die glutenfreie Lebensmittel kaufen, stark an. Das macht den Markt attraktiv für neue Hersteller und neue Produkte. Die Vielfalt wächst dadurch. Im Markt vertreten sind Start-ups, mittelständische Unternehmen, international agierende Hersteller, Handelsketten, Lebensmittelkonzerne.

Von Nachteil ist der Preisunterschied. Ein Ende 2019 im Landtag präsentierter Warenkorb war um 105 Prozent teurer als vergleichbare glutenfreie Produkte. Die DZG führt seit Jahren den Dialog mit der Politik, um unter anderem eine finanzielle Entlastung der Zöliakie-Erkrankten zu erreichen. Mit Erfolg: Seit 2021 erhalten Zöliakie-Patienten einen Steuerfreibetrag.

Wie viel Prozent der Bevölkerung hat Zöliakie? Heute wissen wir, dass wahrscheinlich einer von 100 Menschen an Zöliakie erkrankt ist und dass Zöliakie in jedem Alter auftreten kann. Kinder klagen oft über Bauchschmerzen und Darmprobleme, haben einen Blähbauch und Wachstumsverzögerungen und sind an diesen Symptomen relativ leicht als Zöliakie-Erkrankte zu erkennen.

Was halten Sie von glutenfreier Ernährung ohne Unverträglichkeit? Der Zucker- und Fettgehalt mancher glutenfreier Produkte ist höher als der von glutenhaltigen Lebensmitteln. Daher ist es nicht sinnvoll, sich glutenfrei zu ernähren, wenn keine Unverträglichkeit gegen Gluten vorliegt. Glutenfreie Ernährung ist ein Zeitgeist-Thema, viele Sportler ernähren sich glutenfrei, glauben sich fitter zu fühlen. Die DZG empfiehlt keine glutenfreie Ernährung für gesunde Menschen.