Klappernde Konkurrenz

Im Jahr 1921 bekamen die Körschmühlen eine Mitstreiterin: die Pflugmühle (Teil 3)

 

Neben den beiden Wassermühlen, von denen bereits berichtet wurde, gab es in Möhringen über vier Jahrzehnte auch eine elektrische Mühle. Noch lange nach ihrer Stilllegung 1959 erinnerte eine Tafel am Rande der Vaihinger Straße an die Pflugmühle. Heute befindet sich hier der Parkplatz der LIDL-Discounterfiliale.

 

Von Sonja Mailänder

 

Im Jahr 1912 erbaute der Wirt Christian Hascher in der Vaihinger Straße 119, unweit seines Gasthauses „Pflug“ in der Oberdorfstraße, ein Wohnhaus. In seinem Hinterhof richtete er dort zusammen mit seinem Bruder, dem Bauern Carl Hascher, eine Krautfabrik ein, in der der auf den Fildern reichlich wachsende und auch in Möhringen großflächig geerntete Weißkohl zu Sauerkraut verarbeitet wurde. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs erhielt die zunächst vielversprechend erscheinende Produktion jedoch kurz darauf einen jähen Dämpfer. Da die Männer eingezogen wurden, mussten die Ehefrauen und die Mutter der Brüder die Fabrikation allein am Laufen halten. Hinzu kam die Inflation, die in Möhringen 1916 zur Gründung der Filderkrautzentrale im Richterviertel führte. Dieser Konkurrenz war der Betrieb Christian Haschers nicht mehr gewachsen, zumal im Krieg und durch die darauf folgende Spanische Grippe alle drei seiner Brüder ums Leben gekommen waren. Doch schon kurz darauf brachten ihn Vaihinger Landwirte, die an seinem Anwesen vorbei auf Fuhrwerken ihr Korn zu den Mühlen im Körschtal transportierten, auf die Idee, seine Krautfabrik in eine elektrische Getreidemühle umzurüsten, wozu er einen Mühlenbauingenieur engagierte.

 

Umbau in elektrische Mühle

 

Zu ihrem Antrieb erfolgte in einer Trafostation im linken Teil des Erdgeschosses die Umspannung von 10.000 V auf 380 V. Von einem Elektromotor im Keller ging im rechten Gebäudeteil durch Riementransmission eine Bewegungsübertragung bis in die oberen Stockwerke aus. Da Hascher über keine entsprechende Ausbildung verfügte, stellte er einen Müllermeister ein. Bald ließ sogar die Versuchsbäckerei der Landwirtschaftlichen Hochschule in Hohenheim ihr Demeter- Getreide hier mahlen.

 

Im Jahr 1940 baute er ein Staubhaus an und verpachtete die Mühle an Fritz Schäfer. 1952 wurde der schlesische Flüchtling Willy Wojzich Müllermeister, der die Mühle nach Christian Haschers Tod 1956 mit dessen Witwe noch drei Jahre weiterführte. Grund für die Betriebsaufgabe war vor allem der Abschluss des Mühlengesetzes 1957, das die Weiternutzung kleinerer Mühlen stark einschränkte und unwirtschaftlich werden ließ. 1960 kaufte Norbert Selig das Anwesen und nutzte das Mühlengebäude als Montagehalle seiner Elektrotechnikfirma, in der er Schaltschränke herstellte. Nach einem Brand 1994 blieben nur noch Teile der Originalsubstanz erhalten. Etwa 2010 wurden alle Bauten abgerissen und die Fläche für den Parkplatz der LIDL-Filiale asphaltiert.

 

Weitere Mühlen in Möhringen

Außer den beiden Wassermühlen im Körschtal und der elektrischen Pflugmühle werden im „Mühlenatlas des Stadtkreis Stuttgart“ von Achim Bohnenschäfer (2014) noch drei weitere, kleinere Mühlen aufgeführt:

 

Damit Möhringer Raps und Lein nicht mehr auswärtig verarbeiten lassen mussten, bekam Carl Streib im Jahr 1807 die Erlaubnis zum Bau einer Ölmühle unter seinem Haus, dem Schopf in der heutigen Filderbahnstraße 7. Ihre Betriebsdauer ist nicht bekannt, jedoch wurde das Gebäude in der Nacht vom 14. auf den 15. März 1944 bei einem Bombenangriff vollständig zerstört. Etwa 1928 richtete die damalige Darlehenskasse im Parterre der Richterstraße 16, wo die spätere Möhringer Bank noch bis 1986 landwirtschaftliche Bedarfsartikel veräußerte, eine Schrotmühle ein. Mit dieser wurde Getreide für Kleintiere von Genossenschaftsmitgliedern gemahlen. Eine weitere Schrotmühle besaß die Kraftfutterhandlung Buck & Co. ab Mitte der 1930er-Jahre am Filderbahnplatz 21. Hier wurde aus durch Züge und später LKWs angeliefertem Getreide Spezialfutter für Legehennen hergestellt und verkauft. Da sich kein Nachfolger fand, musste das Geschäft 1970 aufgegeben und das Gebäude später abgerissen werden.

 

(Artikel aus Möhringen Aktuell, KW 15/2021)

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