Kleider machen Leute

In Möhringen wurden in früheren Zeiten regionalspezifische Gewänder getragen

 

Hört man heute das Wort Tracht, denkt man wohl entweder an den letzten Alpen- oder Schwarzwaldurlaub oder an die neumodischen Dirndl und Lederhosen, die man alljährlich zum Besuch des Frühlings- oder Volksfestes anzieht. Doch auch auf den Fildern waren eigene landestypische Kleidungsstücke noch im vorletzten Jahrhundert gang und gäbe. 

 

Von Sonja Mailänder 

 

Zwar machte sich hier der Einfluss der nahen Residenzstadt Stuttgart früher bemerkbar als in weiter entfernt liegenden Fildergemeinden – aber auch in Möhringen wurden noch bis Ende des 19. Jahrhunderts, jedenfalls von einzelnen älteren Leuten, zumindest Teile der regionalen Tracht getragen. Bereits in der Oberamtsbeschreibung von 1851 ist jedoch von einer Verdrängung dieser ländlichen Kleidung durch den „modernen, städtischen Anzug“ die Rede. 

 

In früheren Zeiten … 

 

… bestand die Tracht auf den Fildern bei Männern aus kurzen gelben oder weißen Lederhosen, einer geblümten Weste mit runden, silbernen Rollenknöpfen und einem langen weißen sogenannten Zwilchkittel aus doppelfädig gewebtem derbem Leinenstoff, der mit Talerknöpfen besetzt war. Das Leinen- oder Flachshemd mit umgeschlagenem Kragen hielt vorne am Hals eine silberne Schnalle zusammen. Auf dem Kopf trugen Männer einen Dreispitz mit schwarzem Hutband, das an der Seite ebenfalls durch eine silberne Spange zusammengefasst wurde. Werktags zeigte die Breitseite, das Schild, sonn-, fest- und feiertags die Spitze des Huts nach vorn. Außerdem zierten Bundschuhe mit weißen Strümpfen die Füße. Bei jungen Männern ersetzte ein kurzes Wams den Kittel und eine Fischotterfellmütze mit schwarzen oder goldenen Troddeln den Dreispitz. An Werktagen genügte eine Zipfelmütze und bei älteren Männern die „Schmerkappe“, ein Lederkäppchen. 

 

Hingegen waren bei Frauen am Oberarm aufgebauschte, am Unterarm eng anliegende Blusen üblich. Darüber trugen sie ein rotes, tief ausgeschnittenes Mieder, ein breites gemustertes Halstuch sowie eine Granatperlenschnur, das „Nuster“, mit goldenem Schloss. Ihr kurzer schwarzer Kittel mit neun Rollenknöpfen war oben ebenfalls weit ausgeschnitten. Ihre Haare flochten die Frauen zu zwei Zöpfen über den Rücken. An Sonn- und Feiertagen wurden in diese Seidenbänder eingebunden, die bis zum Saum des langen Kleides herabhingen. Auf dem Kopf trugen sie außerdem das deutsche Häubchen, die Bändelhaube, und über dem meist dunklen Rock eine weiße Schürze.

 

Ende des 19. Jahrhunderts … 

 

… veränderte sich die Tracht der Männer hin zu schwarzen, hirschledernen Hosen und blauem Rock mit schwarzen Knöpfen und rundem Hut. Das Brusttuch aus geblümtem Cord trug 18 Silberknöpfe, die auf speziellen Riemen aufgenäht wurden. Nur bei Trauer vertauschte man sie mit schwarzen Knöpfen. Damit man oben die silberne Hemdenschnalle und unten das bestickte Hemd sehen konnte, wurden von den Knöpfen die drei obersten offen, die vier nächsten zugeknöpft und die unteren elf wieder offen getragen. Dazu zog man hohe enge Stiefel an, die am oberen Rand umgeschlagen wurden. 

 

Jünglinge trugen dagegen kurze Wamse und auf dem Kopf hohe Plüschmützen mit schwarzroter, rechts herabhängender, beim Gehen stets mitschwingender Troddel. Zu ihrer Bekleidung gehörten außerdem breite bestickte Hosenträger, die unter der Brust durch einen Steg miteinander verbunden waren. Vervollständigt wurde die Tracht durch eine Taschenuhr, einen silbernen Anhänger über dem Bauch sowie eine silberbeschlagene Pfeife. 

 

„Moderne Kleidung“

 

Mit den guten Verdienstmöglichkeiten in Stuttgart und der verbesserten Anbindung durch die Filderbahn vertauschten ab Mitte des 19. Jahrhunderts immer mehr Möhringer und Möhringerinnen ihre „altmodische Tracht“ mit der „modernen Kleidung“ der Großstadt. Diese bestand bei Frauen aus hochgeschlossenen, langen schwarzen Kleidern und bei Männern aus dunklen Anzügen. Zuletzt wurden in Möhringen Reste der Tracht nur noch zum Kirchgang von älteren Leuten getragen. Am längsten blieben das kleine Häubchen und der Spenzer bei den Frauen erhalten. 

 

(Artikel aus Möhringen Aktuell, KW 49/2021)

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