Kunst aus Weggeworfenem

Durch eine neue Ordnung erhalten Gegenstände eine andere Bedeutung

 

Die vielseitig engagierte Möhringerin Gisela Abt stellt unbrauchbar gewordene Gegenstände zu einzigartigen Materialbildern zusammen. Erst im Rentenalter konnte sich die ehemalige Stadträtin den Traum eines eigenen Ateliers für ihr kreatives Schaffen erfüllen.

 

Von Sonja Mailänder

 

Wer die kleine „Werkstatt“ von Gisela Abt betritt, wird zunächst verblüfft sein von einem Sammelsurium an völlig unterschiedlichen kleineren und größeren Gegenständen, die zum Teil bereits sortiert, jedoch teils auch noch nicht geordnet auf Tischen und Regalen liegen und auf ihre Verarbeitung warten. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie für ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr benutzt werden können – beispielsweise eine gerissene Fahrradkette, eine verbeulte Blechdose, eine ausgediente Zahnspange oder einzelne Knöpfe, um nur einige wenige zu nennen. Auch organismische Überreste wie Schneckenhäuser, getrocknete Insekten, Federn, Rindenstücke oder Muschelschalen mischen sich darunter. An den Wänden hängen und lehnen verschiedene bereits fertiggestellte Kunstwerke.

 

Künstlerischer Schaffensdrang

 

Gisela Abt wurde 1943 in Achern in Baden geboren, wuchs jedoch in Stuttgart auf. Ihren großen Traum, Kunst zu studieren, konnte sie nicht verwirklichen. Stattdessen absolvierte sie auf Wunsch ihrer Eltern eine Lehre und war mit 16 Jahren fertig ausgebildete Stenotypistin. Bereits 1964 heiratete sie und bekam in den beiden darauffolgenden Jahren zwei Kinder. Mit Unterstützung ihres Mannes gelang es ihr dann jedoch, ihrem künstlerischen Schaffensdrang auch ohne Hochschulstudium nachzukommen. So besuchte sie diverse Kurse an der Volkshochschule und anderen Einrichtungen, wobei es ihr besonders die von Heinz E. Hirscher praktizierte und gelehrte Materialkunst angetan hatte. Daher wurde er zu ihrem großen Vorbild und Mentor. Die Kunst Hirschers bestand darin, gesammelte Materialien – worunter alle nicht verderblichen Abfälle zu verstehen sind – als Werkstoffe nach einer neuen Ordnung zusammenzustellen und somit einer neuen Bedeutung zuzuführen. Anhand eines frühen Werks von Gisela Abt lässt sich diese Vorgehensweise beispielhaft aufzeigen: Es besteht aus einer alten Kutterschaufel, einem kaputten Kinderwagenrad und einem Kochlöffel, die symmetrisch übereinander angeordnet wurden. Von diesen ausgedienten Gegenständen hatte sich die Künstlerin offensichtlich inhaltlich befreit, denn sie gab dem Bild den sehr aussagekräftigen Titel „Emanzipation“.

 

Lebenstraum erfüllt

 

Bereits seit 1982 wohnt sie mit ihrer Familie in der Sigmaringer Straße. Erst im Jahr 2011 ergab sich jedoch der Umstand, dass Frau Kussmaul, die das „Schuhparadies“ im Vorderhaus betrieben hatte, ihren Laden aufgab und verkaufte. Mit Unterstützung ihrer Mutter konnte Gisela Abt das Gebäude erwerben und in den folgenden Jahren grundlegend restaurieren und sanieren. Nachdem ihr jahrzehntelang Wohnräume einschließlich der zeitweise dadurch nicht mehr für ihre eigentliche Funktion nutzbaren Küche als Arbeitsplätze dienen mussten, konnte sie sich hier im Rentenalter den Lebenstraum einer eigenen Werkstatt für ihr kreatives Schaffen erfüllen. Neben ihrer künstlerischen Tätigkeit gehörte Gisela Abt von 1989 bis 2004 dem Stuttgarter Gemeinderat als Mitglied der SPD-Fraktion an. Sie engagierte sich unter anderem im Umwelt- und Technik- sowie im Jugendhilfeausschuss, dessen Sprecherin sie viele Jahre war. Außerdem wirkte sie über 25 Jahre bis zu ihrem Ruhestand 2008 als Werkund Handarbeitslehrerin am Königin- Charlotte-Gymnasium. Im Jahr 1984 hat sie den Kunstkreis Möhringen mitbegründet und organisiert bis heute ehrenamtlich wechselnde Ausstellungen im Bürgerhaus.

 

Gemeinsam zeichnen, malen und basteln

 

Auch in zahlreichen anderen Initiativen ist Gisela Abt vertreten. Beteiligt ist sie auch bei der Aktion „Kunst.Gemeinsam.Machen“ des Netzwerks „Generationenhaus Möhringen“. Dabei wurde zuletzt von Einwohnern des Stadtbezirks in Kooperation mit Initiativen und Institutionen unter dem Motto „Spann Dein Netz“ gemeinsam gezeichnet, gemalt oder gebastelt. Unter Mitwirkung von Mitgliedern des Freundeskreises Flüchtlinge Möhringen entstand so in ihrer Werkstatt seit Beginn des Jahres ein Schachspiel, das auch bei „Möhringen feiert“ am 20./21. Juli zusammen mit anderen Ergebnissen des Projekts ausgestellt wurde.

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