Lebenslang mit einer Lüge leben

Franz Hirth aus Möhringen ist der Neffe des HitlerAttentäters Georg Elser

 

Bei einem Podiumsgespräch im mit Zuhörern prall gefüllten Lern- und Gedenkort „Hotel Silber“ ging es am 13. November um den Hitler-Attentäter Georg Elser. Anwesend war sein mittlerweile 90-jähriger Ne† e Franz Hirth, der in Möhringen lebt, und erst über das erlittene Unrecht und dann über das späte Glück der Richtigstellung erzählte.

 

VON ROLAND STEINHAUER

 

Am 8. November 1939 explodierte im Münchner Bürgerbräukeller die Bombe, die Adolf Hitler töten sollte. Der Kunstschreiner Georg Elser aus Königsbronn hatte in monatelanger Arbeit nachts den Sprengsatz in eine Säule des Saals eingebaut. Georg Elser wurde verhaftet, gefoltert und am 9. April 1945 ermordet. Nach dem Attentat Georg Elsers auf Hitler ermittelte die Gestapo auch in Stuttgart, wo Elsers Schwester Maria und sein Schwager Karl Hirth lebten. Sie wurden am 13. November 1939 verhaftet. An diesem Tag wurde auch der zehnjährige Franz zusammen mit seinem Vater in das „Hotel Silber“ gebracht.

 

Dramatische Veränderung

 

Der Junge ahnte nichts von all dem und wie das Attentat seines Onkels sein Leben verändern würde. Während seine Eltern verhört wurden, musste er beim Pförtner in der Loge sitzen. Dort blieb er bis zum Abend vergessen. Danach kam er zunächst in ein Waisenhaus und einige Zeit später zu seiner Großmutter nach Königsbronn. Seine Eltern sah er erst im März 1940 wieder. In der Familie wurde lange Zeit nicht über den Onkel gesprochen.

 

Viele Jahrzehnte lang lebte Franz Hirth mit dem Gefühl, dass der Onkel erst ein Terrorist, ein Verbrecher sein sollte, ein Spion Englands. Dann kam das Gerücht auf, Elser sei von der SS angeheuert worden, das Attentat zu verüben. Damals konnte sich nämlich niemand vorstellen, dass ein Einzelner dieses Attentat habe ausüben können. Dass wir es heute besser wissen, verdanken wir unter anderem der Georg Elser Gedächtnisstätte in Königsbronn und vielen anderen, die sich um die Wahrheit bemüht haben. 80 Jahre danach gab es am 4. November vonseiten der Bundesregierung durch Bundespräsident FrankWalter Steinmeier eine Entschuldigung für das erlittene Unrecht, das damals über die gesamte Familie und Verwandten kam. Eine späte Genugtuung. Was geht da in einem Menschen vor, der so lange Zeit mit einer Lüge leben musste? Das Thema Angst spielte lange Zeit eine Rolle in Hirths Leben. Franz Hirth wollte seinen Onkel einfach vergessen. Heute ist er froh über die Richtigstellung.

 

Georg-Elser-Ausstellung

 

Im Foyer der Gedächtnisstätte „Hotel Silber“ gibt es eine Ausstellung zu Georg Elser, in der auch Franz Hirth in einem Video über das Erlebte erzählt. In der Bildergalerie ist ebenfalls der junge Franz Hirth zu sehen (Foto links). Das Foto stammt aus seinem Mitgliedsausweis für das Deutsche Jungvolk, der Unterorganisation der HitlerJugend für zehnbis 14jährige Jungen. In dem Video berichtet Franz Hirth eindrucksvoll, wie er die Stunden im Eingangsbereich der Gestapozentrale am 13. November erlebte.

 

Zu sehen sind auch Zeichnungen Georg Elsers, die der verstorbene Stuttgarter Künstler Kurt Grabert anfertigte. Grabert setzte sich immer wieder mit den Themen Krieg und Widerstand auseinander. Entstanden ist dabei ein Zyklus von Zeichnungen, die den Entschluss zur Tat, das Attentat selbst und die Folgen für Georg Elser zum Thema haben.

 

Hotel Silber

 

Georg Elser – der Attentäter. Zeichnungen von Kurt Grabert. Die Zeichnungen entstanden in den Jahren 1978 bis 1983. Die Präsentation im Foyer des „Hotel Silber“ geht noch bis zum 31. Juli 2020. Infos zu Öffnungszeiten gibt es auf: www. geschichtsorthotelsilber. de

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