Omnibusse aus Leidenschaft

Über das Möhringer Familienunternehmen erscheint eine Biografie (Teil 2)

 

In der letzten Ausgabe von Möhringen Aktuell haben wir über das neue Buch „Auwärter Neoplan Omnibusse“ von Hans- Joachim Pilz und Andreas Schneider berichtet. Darin wird nicht nur die gesamte Firmengeschichte der „Gottlob Auwärter GmbH & Co. KG“ von ihren Anfängen 1935 über den einmaligen Aufstieg der Marke Neoplan bis zum Verkauf an „MAN“ beschrieben. Auch auf die Verdienste der einzelnen Mitglieder der Familie Auwärter wird ein besonderes Augenmerk gelegt.

 

Von Sonja Mailänder

 

Gottlob Auwärter jr. wurde 1903 in Möhringen geboren und erlernte mit 14 Jahren im elterlichen Betrieb in der Kaltentaler, der heutigen Balinger Straße, das Wagnerhandwerk. Den Zeichen der Zeit folgend schickte ihn sein Vater anschließend als Geselle zur Karosseriebaufirma Reutter im Stuttgarter Westen. Nachdem er 1925 von dort zurückkehrte, stellte er in der heimischen Werkstatt seine ersten Karosserieaufbauten auf Personen-, Liefer- und Pritschenwagen sowie für Omnibusse her. Mit einem Kastenwagenaufbau für die Wäscherei „Weizäcker“ in Möhringen schloss er 1927 seine Meisterprüfung im Karosseriebau ab.

 

Im Jahr 1933 heiratete Gottlob Auwärter Rosine Kraus. Aus der Ehe gingen die fünf Kinder Else (1934), Albrecht (1936), Konrad (1940), Mechthild (1943) und Marlies (1946) hervor. 1935 machte er sich in den Gebäuden der ehemaligen Ziegelei „Probst“ in der Vaihinger Straße selbstständig und verlegte sich dort bald schwerpunktmäßig auf die Omnibuskonstruktion.

 

Erster selbsttragender Omnibus

 

Anfangs konstruierte man Busse mit einem Fahrgestell als Unterbau, auf den die Karosserie, der Antrieb und die Nutzlast aufgesetzt wurden. 1953 hingegen fertigte Auwärter sein erstes Fahrzeug in selbsttragender Bauweise. Bei diesem kurz darauf Neoplan bezeichneten Omnibus konnte erstmals auf das Chassis verzichtet werden, indem nun die Karosserie selbst zum tragenden Element wurde, in das man die weiteren Teile einfügte. Vorteile des Neoplans waren ein geringeres Gesamtgewicht, eine günstigere Raumnutzung, bessere Straßenlage und höhere Aufprallsicherheit sowie ein größerer Reisekomfort durch Geräuschdämpfung und Bequemlichkeit. In den nächsten Jahren führten weitere Innovationen, wie eine Luftfederung, eine erhöhte Sitzposition und mehr Sitzreihen, zu einem unternehmerischen Erfolg, der die Produktionsleistung rasch ansteigen ließ.

 

Ein weiterer Durchbruch gelang der Firma 1961 mit dem „Typ Hamburg“, der von Albrecht Auwärter zusammen mit seinem Studienkollegen Bob Lee in ihrer Abschlussarbeit an der Fachhochschule für Karosserie- und Fahrzeugbau in Hamburg entwickelt wurde. Neu waren dabei insbesondere ins Dach hineinragende Seitenfenster, individuell steuerbare Düsenbelüftungen sowie ein tiefergelegter Fahrersitz. Auch Konrad Auwärter studierte in Hamburg und konzipierte in seiner Diplomarbeit 1964 den ersten Doppeldeckerbus für den Linienverkehr, der den Anstoß für den „Skyliner“ und den 1971 von Bob Lee entworfenen „Cityliner“ im Reiseverkehr gab. Im Jahr 1965 übergab Gottlob Auwärter mit 51 Prozent der Anteile der „Gottlob Auwärter GmbH & Co. KG“ die Geschäftsführung an seinen ältesten Sohn Albrecht; Konrad erhielt 41 und Else 8 Prozent.

 

Unter Albrecht Auwärter, der als „charismatischer und leidenschaftlicher Vollblutunternehmer, der anpackte und umsetzte“, beschrieben wird, erfuhr die Firma ein rasantes Wachstum. Sie erschloss weitere Omnibusmärkte weltweit und eröffnete Produktionsstätten in Bayern, Berlin, Ghana und den USA sowie nach 1989 in Thüringen und Sachsen. Konrad Auwärter übernahm 1973 die Leitung des neuen Werks in Pilsting. Später war er auch am Aufbau der Werke in Berlin, nach der Wende in Ehrenhain und Plauen sowie auch an weiteren Auslandsprojekten beteiligt. Er wirkte entscheidend an der strategischen Ausrichtung mit und trieb umweltfreundlichere Technologien voran. Weniger im Rampenlicht als ihre Brüder stand Else Auwärter. Nach einer kaufmännischen Lehre führte sie die Finanzen und erledigte weitere zentrale Büroarbeiten des Unternehmens. Nicht vergessen werden unter den Wegbereitern von Neoplan darf außerdem der Ingenieur Bob Lee, der ab 1965 in verschiedenen leitenden Positionen tätig war und zahlreiche richtungsweisende Impulse in der Entwicklung des Omnibusbaus lieferte. Nach dem überraschenden Tod Albrechts 1994 übernahm Konrad Auwärter den Vorsitz im neu gegründeten Verwaltungsrat und Bob Lee den der Geschäftsführung. Um die Marke Neoplan sowie möglichst viele Arbeitsplätze und Produktionsstätten erhalten zu können, entschlossen sich Familie und Management im Jahr 2000 zum Verkauf des Unternehmens an „MAN“.

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