Rond oms Filderkraut

Über Jahrhunderte spielte der Krautanbau in Möhringen eine tragende Rolle (Teil 1)

 

Bis heute ist im Herbst auf den Fildern traditionell Krauterntezeit. Auch in Möhringen erlebte der Kohlanbau besonders gegen Ende des 19. Jahrhunderts einen starken Anstieg. Die aufwendige Aufzucht, Auspflanzung und Pflege der Setzlinge sowie Ernte der Kohlköpfe konnte nur unter Einsatz der ganzen Familie geleistet werden. 

 

Von Sonja Mailänder 

 

Kohl dürfte auf den Fildern, wie andernorts in Mitteleuropa, bereits seit dem Mittelalter flächig angebaut worden sein. Zunächst erfolgte dies jedoch noch nicht auf den Äckern, sondern in gemeindeeigenen Krautgärten außerhalb des Etters, also des Zauns, der die Felder umgab. Angepflanzt wurde hier jedoch nicht nur Kohl, sondern auch Erbsen, Linsen, Flachs, Hanf oder Rüben. 

 

Zu einem ersten Aufschwung des Krauts kam es ab dem 18. Jahrhundert, als innerhalb der verbesserten Dreifelderwirtschaft nach Winter- und Sommerfrucht im dritten Jahr neben Rüben, Klee, Hanf oder Flachs immer öfter Kohl und Kartoffeln auf den Feldern angebaut wurden. Nach der Wende zum 19. Jahrhundert sollten aufgrund eines starken Bevölkerungsanstiegs außerdem verschiedene Maßnahmen die Erträge in der Landwirtschaft erhöhen. So schuf zunächst die Abschaffung der Leib- und Grundherrschaft die Voraussetzung, dass erstmals jeder Einzelne frei über die Verwendung des von ihm bewirtschafteten Bodens entscheiden konnte. Ferner wurden in der 1817 in Denkendorf gegründeten und 1818 nach Hohenheim verlegten „Landwirtschaftlichen Unterrichts-, Versuchs- und Musteranstalt“ (ab 1847 „Land- und forstwirtschaftliche Akademie“, ab 1904 „Landwirtschaftliche Hochschule“ und seit 1967 „Universität“) fortschrittlichere Anbaumethoden, etwa in Form neuer Pflüge, entwickelt, die gerade in der näheren Umgebung rasch zur Anwendung kamen. Ab 1800 entwickelte sich das Kraut zu einem der Hauptfeldfrüchte der Filder. 

 

Flächenmäßig größte Sonderkultur 

 

Insbesondere aufgrund seiner besonders zarten Blätter und seines milden Geschmacks sowie der Möglichkeit, es durch Gärung lange haltbar zu machen, war es auch überregional der Konkurrenz gewachsen. Jedoch erst um die Wende zum 20. Jahrhundert wurde Kraut auf den Fildern zur flächenmäßig größten Sonderkultur. Im Filderboten vom 25.02.1911 wird Möhringen mit 164 Hektar als eine der in dieser Hinsicht führenden Gemeinden genannt. Mit ihren fruchtbaren Lösslehmböden und mildem Klima wies die Gemarkung sehr gute Standortbedingungen auf. Der Ort profitierte jedoch vor allem auch von seiner Nähe zum Stuttgarter Zentrum, wo viele der Produkte auf dem Markt, in Läden und Wirtschaften verkauft werden konnten. Besonders deutlich zeigte sich seine bevorzugte Lage, als er als eine der ersten Fildergemeinden einen Eisenbahnanschluss erhielt: Bereits 1888 nahm die Dampfstraßenbahnlinie von Degerloch über Möhringen nach Hohenheim ihren Betrieb auf. Degerloch war schon 1884 durch die Zahnradbahn mit der Stadt Stuttgart verbunden worden. Von Möhringen baute man bis 1897 weitere Strecken bis nach Vaihingen und Neuhausen. Über Jahrzehnte wurden daher am Möhringer Bahnhof auch Krautköpfe verladen, von wo sie über das gesamte Schienennetz verteilt werden konnten.

 

Vom Samen zum Krautkopf 

 

Für den Anbau vermehrt wurde das Filderkraut, indem man im Herbst besonders gut gewachsene Köpfe samt Wurzeln ausgrub, im Keller überwinterte und im darauffolgenden Frühjahr in den Haus gärten zur Blüte und Samenbildung brachte. Diese Samen wurden dann im März des nächsten Jahres im Garten ausgesät. Nach der dortigen sorgsamen Aufzucht konnte Mitte Mai bis Anfang Juni das Auspflanzen auf den gedüngten, gepflügten und geeggten Feldern erfolgen. Sowohl die Pflege und Vorbereitung als auch das mühsame Anpflanzen in sauberen Reihen und Gießen der Setzlinge war Handarbeit, die zu einem Großteil von den Bäuerinnen unter Mithilfe der gesamten Familie erledigt wurde. Ebenso waren die Bauersfrauen und die Familie im Herbst bei der Krauternte gefragt, die wie alle anderen körperlich belastenden Feldarbeiten zusätzlich zum Haushalt und zur Kinderbetreuung geleistet werden musste. 

 

(Artikel aus Möhringen Aktuell, KW 45/2021)

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