„S`Bildstöckle im Sonnenberg“

Bis in die Nachkriegszeit stand bei der Haltestelle eine altertümliche Steinsäule

 

Kaum jemand wird sich an den verwitterten Rest des Kleindenkmals erinnern können, der zuletzt nur noch als Verkehrshindernis angesehen wurde. Noch heute weisen die Flurnamen „Ziegelbild“ zwischen der U-Bahn-Station Sonnenberg und dem Friedhof sowie „Bildäcker“ jedoch auf die einstige Bedeutung der Sandsteinsäule hin, die hier ehemals an einer wichtigen Weggabelung errichtet worden war.

 

Von Sonja Mailänder

 

Vom Heimatkundler Rudolf Weißer wird das „Bildstöckle“ 1929 beschrieben als 1,60 Meter hohe Stubensandsteinsäule mit quadratischem Querschnitt mit einer Kantenlänge von 0,38 Metern. Kurz zuvor hatte es noch direkt an den Bahngleisen gestanden, wurde dann aber bei einer Wegeverbreiterung vom Ortsgeometer Möhringens auf die andere Straßenseite vor den Gartenzaun des Gasthauses „Zum Sonnenberg“, dem heutigen „Harambe“, versetzt. Beim Ausbau der Rembrandtstraße nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Stein schließlich völlig entfernt. Was danach mit ihm geschah, ist unbekannt.

 

Heiligenverehrung und Wegweiser

 

Erst in letzter Zeit werden die Überreste solcher Kleindenkmale, die sich manchmal noch auf den Fildern in der freien Feldflur, jedoch auch in mittlerweile überbauten Bereichen finden, wieder mehr wertgeschätzt. Im Falle Sonnenbergs handelte es sich um das Unterteil eines sogenannten Bildstocks, dessen architektonischer Aufbau sehr einfach war: Auf einen massiven steinernen Sockel, der bis zu einem Meter im Boden steckte und bis zu zwei Meter darüber hinaus ragte, folgte ein Aufsatz mit einem Heiligen- oder Widmungsbild, das auf Holz gemalt, in Ziegel gebrannt oder in Stein gemeißelt war.

 

Schwierig ist es, Genaueres über das Alter des „Bildstöckles“ auszusagen. Bedeutung hatten derartige Kleindenkmale jedoch vor allem vor der Reformation, die in Württemberg um 1560 vollzogen wurde. Danach gerieten sie mehr und mehr in Vergessenheit und waren dem Zerfall ausgesetzt. Keineswegs wurde der Sonnenberger Bildstockstein jedoch seinerzeit an einer Bahnlinie und schon gar nicht inmitten eines mit Gebäuden bestandenen Bereichs aufgestellt. Beides gab es hier erst sehr viel später, ab kurz vor der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Vielmehr wählte man für seine Errichtung eine Gabelung des von Möhringen Richtung Stuttgarter Zentrum führenden Hauptwegs. Hier zweigten zum einen ein Fußweg nach Westen in Richtung Kaltental und zum anderen ein weiterer nach Osten in Richtung Degerloch ab. Bis heute spiegeln sich deren alte Verläufe im Straßennetz wider. Für den motorisierten Verkehr wurde der von Möhringen kommende Weg nach und nach zur Hindenburg- und späteren Rembrandtstraße ausgebaut, die in Sonnenberg in die Laustraße übergeht. Außer zur Heiligenverehrung diente das „Bildstöckle“ in vergangener Zeit auch als wichtiger Wegweiser zur Orientierung in der Landschaft. So ist es beispielsweise schon auf einer großen Bildkarte von Georg Gadner aus dem Jahr 1589 als überdimensionale Feldmarke eingetragen.

 

Gasthof „Zum Sonnenberg“

 

Bereits kurze Zeit nach der Schienenverlegung für die erste Dampfstraßenbahn von Degerloch über Möhringen nach Hohenheim 1888 erkannte ein Gastwirt das Potenzial, das diese Anbindung für den Sonnenberg erbrachte. Denn immer mehr wurde das großflächig von Obstbaumbeständen geprägte Gebiet in herrlicher Aussichtslage zum Ausflugsziel für Stadtbewohner. Schon 1903 erbaute daher Friedrich Kieß nahe den Gleisen einen Gasthof, in dem er die Stuttgarter Spaziergänger bewirtete, sommers auch unter Kastanien in seinem Garten. Wenige Jahre nach der Eröffnung wurde das Gebäude um den Anbau rechts mit dem charakteristischen Türmchen im Eingangsbereich und einem Saal für Feierlichkeiten erweitert. Nach Friedrich Kieß` frühem Tod übernahm zunächst sein Bruder Karl und Ende der 1920er- Jahre sein Sohn Karl den Betrieb, dessen Familie ihn noch bis 1957 weiterführte und dann verkaufte. Nachdem zuletzt ein Grieche das Lokal bewirtschaftete, werden hier seit 1998 die Gäste des afrikanischen Restaurants und Hotels „Harambe“ bedient.

 

(Artikel aus Möhringen Aktuell, KW 23/2021)

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