Seit 80 Jahren Stadtbezirk

Am 1. April 1942 wurde Möhringen auf den Fildern nach Stuttgart eingemeindet

 

Möhringen mit Sonnenberg und dem Fasanenhof, der zuvor zu Echterdingen zählte, waren mit die letzten Orte, die in Stuttgart integriert wurden. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in der Stadt erste Bestrebungen, umliegende Gemeinden in die Gemarkungsfläche mit einzubeziehen. 

 

Gründe waren vor allem der Zuzug an Arbeitskräften in den aufstrebenden Industriestandort verbunden mit einer hohen Geburtenrate und der daraus resultierende Mangel an Wohnraum. Vorangetrieben wurde dieser Prozess in den 1930er- Jahren von Karl Strölin, eines überzeugten Nationalsozialisten, der am 16. März 1933 für das Oberbürgermeisteramt bestellt und danach vom damals neu zusammengesetzten Gemeinderat bestätigt worden war.

 

Um sich innerhalb der Parteihierarchie zu profilieren, strebte er danach, Stuttgart eine besondere Stellung im Deutschen Reich zu verschaffen. Letztlich zielten seine Ideen auf eine Vorherrschaft der Stadt über den gesamten mittleren Neckarraum ab. Bereits zuvor hatte der mangelnde Siedlungsraum auf der Gemarkung Stuttgarts zu einem Anwachsen der Einwohnerzahlen in den Umlandgemeinden geführt. Ihre notwendige Eingemeindung wurde damit begründet, dass dort die finanziellen Mittel für die „Planung und Durchführung einer Bebauung“ nach damaligen Grundsätzen fehlen würden. Für eine sofortige Integration empfahl Strölin 1936 Möhringen, dessen Vorzüge er insbesondere in dem „unmittelbaren verkehrsmäßigen Einfluss Stuttgarts“ durch den Filderbahn- Anschluss sah, für den ein weiterer Ausbau von der Stadt verlangt würde. Zudem führte über Möhringen die Zubringerstraße zur Reichsautobahn über den „Bahnhof Stuttgart-Süd“. 

 

Ferner wurde im Bereich des Fasanenhofs eine Großsiedlung mit billigem Wohnraum für 10.000 Menschen geplant. Insgesamt sah man einen unmittelbaren Einfluss auf die weitere bauliche Entwicklung als dringend erforderlich an.

 

„Kriegswichtige“ Argumente 

 

Obwohl die allgemeine Strategie der Reichsregierung die Eigenständigkeit kleinerer Orte schützte, um so ausgedehnte Ballungsräume und einen allzu großen Machtzuwachs eines Oberbürgermeisters zu verhindern, stießen die Forderungen und Darlegungen Strölins über die Gemeinde Möhringen im zuständigen Innenministerium auf offene Ohren. Trotzdem wurde eine Eingemeindung 1937 vom Reichsstatthalter Wilhelm Murr zunächst abgelehnt. Erst 1940 – ein Jahr nachdem das alte Amtsoberamt Stuttgart aufgelöst und Möhringen dem Kreis Böblingen zugewiesen wurde – gab Murr dem Stuttgarter Drängen nach, und auch das Reichsinnenministerium stimmte trotz prinzipiell ablehnender Haltung zu. Ausschlaggebend war die „kriegswichtige“ Option zum Bau einer Siedlung der SA-Gruppe Südwest auf dem Fasanenhofgelände sowie der Helenen-Kaserne (im Bereich der heutigen Kelley-Barracks), die auf Stuttgarter Gemarkung entstehen sollten. 

 

Erst am 11. November 1941 wurde die Möhringer Bevölkerung durch den Erlass des Reichsstatthalters von der bevorstehenden Eingemeindung in Kenntnis gesetzt. Die Unterzeichnung des Vertrags zwischen Möhringen und der Stadt Stuttgart erfolgte am 17. Februar 1942 vom damaligen Möhringer Bürgermeister Max Neunhoeffer und am 19. Februar vom Stuttgarter Oberbürgermeister Karl Strölin. Formal wirksam wurde er am 1. April 1942 – symbolisch erkennbar durch die Übergabe der Rathausschlüssel und den anschließenden Imbiss mit Butterbrezeln und 1941er Heilbronner Schwarzriesling.

 

Langes Hinhalten 

 

Im Vertrag festgelegt war, dass die Umsetzung wichtiger Planungen der vormaligen Gemeinde Möhringen auf den Fildern durch die Stadt Stuttgart weiterverfolgt werden sollte. Insbesondere auf den versprochenen Bau der weiterführenden Schulen und einer Turn- und Festhalle mussten die Möhringer allerdings lange warten: Erst nach 25 Jahren wurden die Anne-Frank-Realschule (1967), nach 32 Jahren das Königin-Charlotte-Gymnasium (1974) und nach ganzen 66 Jahren das Bürgerhaus (2008) eröffnet. 

 

Von Sonja Mailänder 

 

(Artikel aus Möhringen Aktuell, KW 13/2022)

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