Singen für die Seele

Der Fasanenhofer Ulrichschor feiert dieses Jahr runden Geburtstag

 

Aus zwei mach eins: Vor einem halben Jahrhundert vereinten sich auf dem Stuttgarter Fasanenhof der evangelische und der katholische Kirchenchor zum ökumenischen Ulrichschor. Vorsitzender Frank Brundelius blickt zurück und schaut nach vorn.

 

Von Anke Bauer

 

Wenn Frank Brundelius anfängt zu erzählen, wird schnell klar: Der Mann hat ein großes Herz für die Musik – und für den Fasanenhof. Seit gut 40 Jahren ist Brundelius Vorsitzender des dortigen Ulrichschors und wurde seiner Funktion trotz mitunter schwierigen Zeiten für Chöre niemals müde: „Kirchenchöre bluten leider seit vielen Jahren aus, wir kämpfen sehr darum, nicht unterzugehen“, erzählt er. Vom Boom der Chöre in den vergangenen Jahren spürte man im Ulrichschor nur wenig – doch das ist für den 80-jährigen Brundelius lange kein Grund, sich nicht weiterhin für die singende Gemeinde einzusetzen, im Gegenteil: Begeistert erzählt die Bassstimme von der Besonderheit des derzeit 19-köpfigen ökumenischen Chors, der sich im November 1970 aus dem Zusammenwachsen des evangelischen und des katholischen Kirchenchors auf dem Fasanenhof formierte, damals mit 39 Mitgliedern. „Es gibt nicht viele Chöre, die gemischt sind“, erklärt Brundelius, den die Musik seit seiner Kindheit begleitet. „Bei uns gibt es aber keine Unterschiede – es spielt keine Rolle, ob evangelisch oder katholisch.“

 

Genauso wenig spiele es eine Rolle, woher man kommt: „Wir sind keine hochtrabenden Leute, sondern ganz normale und fröhliche Menschen der Basis, bei uns ist alles ganz unverkrampft“, sagt der pensionierte Feuerwehrbeamte und entwaffnet damit charmant das Vorurteil von elitären Chorgemeinden. „Gut, wir sind alle etwas älter“, fügt er lachend hinzu, aber der Chor habe sich in den vergangenen Jahren mit einigen Um-die-40-Jährigen tatsächlich auch verjüngt. Wichtig ist ihm: Kommen kann jeder, der Spaß am Singen hat, ganz egal wie alt. „Und wir sagen immer: Jeder kann singen!“, sagt der aus Berlin stammende und sich im Schwäbischen zu Hause fühlende Brundelius. „Wir“ – das ist neben ihm und seinen Chorkollegen auch seine Frau Ingrid, mit der er die Leidenschaft fürs Singen und Musizieren teilt und auf viele Jahrzehnte gemeinsame Chorgeschichte im Fasanenhof zurückblickt. Dem Stuttgarter Stadtteil, in dem die beiden leben und ihre drei Töchter großgezogen haben, sind sie sehr verbunden. Frank Brundelius schrieb vor einigen Jahren sogar eine Liebeserklärung an den Fasanenhof – in Form eines Liedes, eine Hymne mit 15 Strophen: „Fasanenhof, hier leben wir.“ „Man wohnt hier einfach gut!“, erklärt er in kurzen Worten.

 

Schulter an Schulter

 

Das Ehepaar investiert wie die meisten anderen Mitglieder auch viel Zeit in den Ulrichschor: In „normalen Zeiten“ kommen zu rund 35 Chorproben im Jahr Dutzende Auftritte in der Kirche, bei Gottesdiensten. An Feiertagen wie Ostern und Weihnachten wird traditionell in der Kirche gesungen. Dazu kommen Auftritte bei Stadtteilfesten, örtlichen Einweihungen, Basaren und natürlich Geburtstagsund Ehrentagsständchen – gerne auch in Kooperation mit anderen Chören. Außerdem ist der Ulrichschor sehr gesellig: „Der gesellschaftliche Teil spielt bei uns eine große Rolle“, sagt Brundelius und erzählt von den gemeinsamen Jahresausflügen, vom gemütlichen Zusammensein bei Kleinkunst, Kabarett und Musik, mit Essen und Trinken – und vom „Schneegestöber“, der für ihn besten Nachspeise, wenn gemeinsam aufgetischt wird. „Das vermissen wir jetzt alles schon sehr“, so der Chorvorsitzende nachdenklich.

 

Ebenso wie die Proben in der St.- Ulrich-Kirche: Die fielen bis auf wenige Ausnahmen aus. „Normalerweise probt man nur für Auftritte und die gibt es ja seit Corona nicht“, erklärt er. Online- Proben gab es keine, „das ist einfach nicht dasselbe“, findet Brundelius. Anders ist das Chorsingen in Corona-Zeiten allemal: „Normalerweise stehen wir ja quasi Schulter an Schulter – nun gelten zwei Meter Abstand zwischen den Sängern.“ Schulter an Schulter lautet beim Ulrichschor dennoch die Devise: Der Zusammenhalt ist groß, man hilft sich gegenseitig – auch, wenn jemand privat Sorgen hat. „Wir gehen füreinander durch Pech und Schwefel“, so Brundelius. Das „Dasein“ drücken er und seine Frau derzeit mit Briefen an ihre Chorkolleginnen und -kollegen aus, in denen sie einander Mut zusprechen: „Wir hoffen, dass wir bald wieder Sonne am Horizont sehen.“

 

Um die Gesundheit müssen sich die Sänger des Ulrichschors weniger Sorgen machen – zumindest, wenn sie den Worten ihres Vorsitzenden glauben. Er ist überzeugt: „Sänger haben ein längeres Leben, denn Singen ist gesund und bereitet Freude.“ Dabei lacht er und man merkt: Es kommt von Herzen.

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