Standhaft im Gegenwind

Wenn Herzblut auf Hass stößt: Wie die Bezirksbeiräte damit umgehen

 

Sie wollen Möhringen lebenswert gestalten – dass es dafür manchmal Gegenwind gibt, ist normal. Doch was, wenn daraus persönliche Angriffe werden?

 

Von Corinna Pehar

 

Das Hineindenken in sein Gegenüber, Argumente anhören, Interessen abwägen und einen Kompromiss finden – die gute alte Diskussionskultur hat es heute nicht einfach. Sie wird zunehmend abgelöst von rauen Tönen, festgefahrenen Meinungen oder gar dem Missbrauch des Demokratiebegriffs. Nicht nur gesamtgesellschaftlich lassen sich hier derzeit zahlreiche Beispiele finden, sondern zuletzt auch wieder in Möhringen. Wie mehrfach berichtet, hat das Thema Wochenmarktverlegung die Gemüter in den letzten Monaten mehr als erhitzt. Mit der Bitte um Versachlichung der Angelegenheit seitens des Bezirksbeirats habe sich die Situation allerdings noch weiter verschärft. Ein guter Grund für ein Interview mit den Sprechern der Fraktionen.

 

E-Mail-Fluten, Beleidigungen und ein „Hausbesuch“

 

„Warum tut ihr denn nichts? Wie könnt ihr nur?“ Solche und weitaus schärfer formulierte Fragen bekommen die Bezirksbeiräte oft gestellt. „Es ist uns wichtig, an dieser Stelle einmal klar die Möglichkeiten eines Bezirksbeirats zu benennen“, sagt Hartmut Ellinger (Grüne): „Wir sind Gesandte, keine Geschickten: Denn es ist eben nicht so, dass wenn einer schnipst, wir sofort tun, was derjenige will.“ Vielmehr habe das Gremium schlichtweg eine beratende Funktion: Es tauscht sich dafür mit Experten über ein bestimmtes Thema aus, wägt ab, gibt – bestenfalls – ein einstimmiges Votum ab und am Ende entscheidet der Gemeinderat. „Wenn allerdings ein privates Unternehmen zum Beispiel einen Standort aufgibt, dann haben wir hier überhaupt keine Handhabe“, ergänzt Bezirksvorsteherin Evelyn Weis, „dennoch wird die Schuld dann gern auf das Gremium abgewälzt.“

 

Ähnlich sieht dies Barbara Hummel (Die Fraktion), die vor allem in der gegenwärtigen Situation die mangelnde Wertschätzung ihrer Arbeit bedauert: „Erst werden wir für unser Ehrenamt gelobt und dann sind wir auf einmal ein Schnarchhaufen?“

 

Die Erzählungen der übrigen Sprecher über Beleidigungen klingen ähnlich: Die Kommunalpolitiker bekommen nicht nur Massen an E-Mails, sondern auch persönliche Anrufe. Der Gipfel: „Ich habe sogar einen Hausbesuch bekommen von einer Person, die ich nicht mal persönlich kannte“, verdeutlicht Axel Brodbeck (Freie Wähler), der sich als Landwirt aus Befangenheitsgründen ohnehin bei dem Thema zurückhalte.

 

Was macht das mit der Motivation?

 

„Wegen etwas Gegenwind fallen wir nicht gleich auf den Rücken“, stellt Grünen-Sprecher Ellinger klar. Auch Dieter Bernhardt (SPD) betont: „Wir haben natürlich weiterhin Freude daran, das Leben in unserem Stadtbezirk mitzugestalten, indem wir unsere Zeit und unsere Fähigkeiten einsetzen für ein gemeinsames Miteinander – denn das ist das oberste Ziel bei allen Themen.“ Das bedeute auch manchmal, dass man sich gegen die Verwaltung stellen müsse, was den Bezirksbeiräten beim letzten großen Aufregerthema vor fast sieben Jahren gelungen sei: „Wir hatten es geschafft, dass das am Kauslerweg geplante Flüchtlingsheim nicht dort, sondern auf dem ehemaligen EnBWGelände gebaut wurde“, erinnert sich Tanja Bachmann (FDP). Es gehe bei solchen Abwägungen stets darum, Argumente anzuhören, zu filtern, entsprechende Aspekte aufzugreifen und in Anträge zu packen, beschreibt Fred Wagner (CDU) die Arbeitsweise des Gremiums. Das gelinge aber nur, wenn man es schaffe, „tatsächlich wieder zu verhandeln – denn das heißt, mit dem Kopf des anderen zu denken“. Im Falle des Wochenmarkts falle dies einigen Akteuren derzeit allerdings besonders schwer.

 

Ein Ehrenamt

Die Bezirksbeiräte üben ihr politisches Wirken ehrenamtlich aus. Zu ihrer Arbeit gehören nicht nur die öffentlichen Sitzungen, sondern auch verschiedene Besprechungen und Vorbereitungen, wie das Lesen der oft seitenlangen Unterlagen und die Einarbeitung in verschiedenste Themenbereiche. Der Zeitaufwand dafür liege bei zehn bis 20 Stunden im Monat.

 

cp

 

(Artikel aus Möhringen Aktuell, KW 19/2021)

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