Stuttgarts Unterwelt

Die Skizze zeigt den Verlauf des Fildertunnels vom Hauptbahnhof bis zum Portal Filter.
Die Skizze zeigt den Verlauf des Fildertunnels vom Hauptbahnhof bis zum Portal Filter.

 

Der Fildertunnel – Planfeststellungsabschnitt 1.2 im Zuge des Projekts Stuttgart 21 – ist mit rund 9,5 Kilometern der längste Tunnel des Bahnprojekts und wird eine Zugverbindung zwischen dem Stuttgarter Hauptbahnhof und der Filderebene herstellen. Was genau dabei passiert, wie weit der Baufortschritt inzwischen gediehen ist und inwiefern Anwohner Degerlochs und Möhringens betroffen sind, erfuhren Interessierte kürzlich bei einer Informationsveranstaltung.

 

Von Daniel Stoll

 

Stuttgarts Bürgerbeauftragte Alice Kaiser hatte in die Turn- und Versammlungshalle nach Degerloch eingeladen, wo Vertreter der Deutschen Bahn AG über die Baumaßnahmen und Themen wie sicherer Tunnelvortrieb, Unterfahrung der Grundstücke oder Entschädigung informierten.

 

Voraussichtlich ab Dezember 2021 werden Züge vom und zum Hauptbahnhof mit bis zu 250 Stundenkilometern durch Deutschlands längsten Doppelröhren- Eisenbahntunnel brausen und dabei rund 155 Höhenmeter überwinden. Zwei zweigleisige Tunnelröhren schließen zunächst südöstlich am zukünftigen Hauptbahnhof an, verzweigen sich sodann in vier eingleisige Röhren in Fahrtrichtung Obertürkheim nach Ulm sowie Richtung Fernsehturm nach Süden. Dann geht es hinauf auf die Filder, unter Degerloch und Möhringen hindurch. Auf Höhe des Echterdinger Eis erreicht der Tunnel schließlich die Oberfläche parallel zur Autobahn 8 und geht in zwei eingleisige Trogbauwerke und somit in den Planfeststellungsabschnitt 1.3 über. Kurz darauf fädelt sich die Strecke zum Filderbahnhof aus.

 

Derzeit kein Querstollen

 

Ausgehend von der Sigmaringer Straße zwischen den Stadtbezirken Degerloch und Möhringen, könnte ein 1,3 Kilometer langer Querstollen zu einem Zwischenangriff in 130 Meter Tiefe führen. Dadurch könnte zusätzlich zu den beiden Tunnelöffnungen von einer weiteren Stelle aus vorangegraben werden. Die Beschleunigung des Tunnelbaus wäre demnach Sinn und Zweck eines solchen Zwischenangriffs, was jedoch in den vergangenen Monaten bei Bürgern und Bezirksvorstehern nicht unumstritten war – gehen mit einer weiteren Großbaustelle doch zusätzlicher Lkw-Verkehr, Lärm und Dreck einher. Schließlich fallen dabei gut 900 000 Kubikmeter an Aushub an, der über die Sigmaringer Straße und die B 27 abtransportiert werden muss.

 

Doch unter mehreren möglichen Alternativen fiel die Wahl der DB-ProjektBau auf den Standort Sigmaringer Straße, da dieser eine ausreichende Entfernung zu Wohngebieten aufweise, um einen 24-Stunden-Betrieb zu erlauben. Statt der ursprünglich anvisierten zwei Zwischenangriffe komme man auf diese Weise mit nur einem Standort aus. »Man weiß doch nie, welchen Weg die Lkws letztlich nehmen werden«, gibt Möhringens Bezirksvorsteher Jürgen Lohmann zu bedenken. »Schließlich wohnen auch in der Degerlocher Tränke Menschen. « Möhringen sei zwar weniger betroffen von den Auswirkungen eines Zwischenangriffs, dennoch hofft Lohmann wie seine Degerlocher Amtskollegin Brigitte Kunath-Scheffold, dass es nicht dazu kommt. Das circa 1,75 Hektar große mögliche Baustellengelände erstreckt sich auf einer Stuttgarts Unterwelt Fildertunnel: möglicher Querstollen bei der Sigmaringer Straße Ackerfläche zwischen Degerloch und Möhringen entlang der Bundesstraße 27 und ist teilweise in städtischem, teilweise in privatem Besitz.

 

Derzeit ist es jedoch keineswegs bereits beschlossene Sache, dass auf die Einwohner Degerlochs und Möhringens tatsächlich zusätzlicher Baustellenverkehr zukommt. In einer Erklärung der DB-Netze AG heißt es: »Für den Zwischenangriff Sigmaringer Straße ist somit Baurecht vorhanden. Die DB Projekt Stuttgart– Ulm GmbH (DB PSU) plant derzeit nicht, diesen Zwischenangriff herzustellen. (...) Die DB PSU muss aus Gründen der Vorsorge an dem Baurecht für den Zwischenangriff jedenfalls so lange als ›Rückfallebene‹ festhalten, bis es kein denkbares Szenario für ein Erfordernis des Zwischenangriffs mehr gibt.« Planungsrechtlich wäre das Projekt also abgesichert, die Bürger der betroffenen Stadtbezirke indes hätten sicher nichts dagegen, wenn es bei der grauen Theorie bliebe.

 

Bei den Arbeiten am Fildertunnel kommen Tunnelbohrmaschinen beim maschinellen Vortrieb ebenso wie Bagger beim konventionellen Vortrieb sowie Bohrwagen und sogenannte »Spritzbüffel « bei der Spritzbetonweise zum Einsatz. Aus der Oberpfalz werden Tausende von »Tübbingringen« zur Innenauskleidung des Tunnels nach Deizisau/Altbach transportiert und von dort per Lkw auf die Filder (wir berichteten). Die Transporte sind in den Nachtstunden von 22 bis 6 Uhr geplant und werden voraussichtlich bis November 2017 abgeschlossen sein.

 

Der Aushub beim Filderportal wird über Wirtschaftswege zur B 27 und zur A 8 abtransportiert. Nach Angaben der DB Netz AG wird bei den Bohr- und Sprengarbeiten ein erschütterungsarmes Verfahren unter Aufsicht der Landesbergdirektion Baden- Württemberg angewandt. Zur Reduzierung des Sprenglärms kommen unter anderem schalldämpfende Sprengmatten vor den Tunnelröhren zum Einsatz.

 

Entschädigungen

 

Die Arbeiten am Fildertunnel verlaufen zwar unterirdisch, dennoch sind Grundstückseigentümer direkt oder indirekt davon betroffen – Stichwort: Unterfahrung. Bei der Klärung von Entschädigungsansprüchen kommt das sogenannte Münchner Verfahren zur Anwendung, das an die Topografie Stuttgarts und die hiesigen Grundstückswertverhältnisse angeglichen wurde. Die Höhe einer etwaigen Entschädigung hängt von Faktoren ab wie der Tiefenlage der Röhre unter dem Grundstück, der Größe der in Anspruch genommenen Grundstücksfläche sowie dem Bodenwert.

 

S 21-Bahnprojekt: Bauvorhaben vor Ort

In Kooperation mit der Arge Immissionsschutz beantwortet die DB Netz AG rund um die Uhr Bürgeranfragen zum Baubetrieb unter Telefon 0711/21 32 12 12 oder per E-Mail an bauen@stuttgart-ulm.de. Immissionsrelevante Dokumente werden auf www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de veröffentlicht. Des Weiteren werden von Immissionen betroffene Bürger beispielsweise per Wurfpost vorab über besondere Baumaßnahmen und mögliche Beeinträchtigungen informiert.

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