»Unsere humanitäre Aufgabe«

Die ersten Asylsuchenden kommen Ende des Jahres nach Möhringen

 

Wie die Flüchtlinge untergebracht werden, wie den oft Traumatisierten die Ankunft und der Aufenthalt im fremden Land so erträglich wie möglich gestaltet werden kann, und vor allem wie sich die 50 Ehrenamtlichen des Flüchtlingsfreundeskreises dabei einbringen können – über all das diskutierten dessen Mitglieder bei ihrer zweiten Vollversammlung am 24. September.

 

Von Daniel Stoll

 

Über »fantastische 80 Besucher« im Bürgerhaus freuten sich Bezirksvorsteher Jürgen Lohmann und Fritz Weller, Bereichsleiter Migration und Integration beim Caritasverband für Stuttgart. Zeigt das enorme Interesse doch, dass das Thema vielen Bürgern auf den Nägeln brennt. »Wir werden durchaus auch mit kritischen Fragen konfrontiert von Anwohnern, die die Asylbewerber lieber möglichst fernab in Industriegebieten untergebracht sähen«, gab Gerhard Bock vom Sozialamt zu. »Wir haben nicht zu entscheiden, wer hier bleiben darf und wer nicht«, ergänzte der evangelische Pfarrer Winfried Maier-Revoredo, der an diesem Abend zum Sprecher des Freundeskreises Flüchtlinge bestimmt wurde. »Aber unser Grundsatz lautet: Wer hier ist, aus welchen Gründen auch immer, muss menschlich behandelt werden. Das ist unsere humanitäre Aufgabe. « Auch der Handels- und Gewerbeverein Möhringen sei bei diesem brisanten Thema »sensibilisiert «, erklärt dessen Erster Vorsitzender Wolfgang Gessler auf Nachfrage. Zwar sei jedes GHVMitglied im eigenen Verein eingebunden, wenn jedoch Not am Mann sei, »stehen wir Gewehr bei Fuß«.

 

Zwei Drittel Familien, ein Drittel Alleinstehende

 

Am 29. Dezember werden die ersten 30 bis 40 Menschen, vor allem aus Syrien, Eritrea und den Westbalkanstaaten, im Lautlinger Weg einziehen. Es werden heterogene Gruppen verschiedener Ethnien gebildet, bestehend aus etwa 63 Prozent Familien und dem Rest aus Alleinstehenden. Eine einzige homogene Volksgruppe wäre eher integrationshemmend und würde einer Clanbildung Vorschub leisten, gab Maier-Revoredo zu bedenken. Rund 40 Prozent aller Flüchtlinge seien schwer traumatisiert, erklärte Fritz Weller. Deshalb seien extra für das »Traumaprojekt« fünf erfahrene Mitarbeiter und Psychologen freigestellt.

 

Auf die Beschaffenheit der Unterkünfte anhand einer Präsentation ging Ulrike Jelen ein, die auch ehrenamtlich in Rohr engagiert ist. Die Errichtung der in Sachen Bauphysik, Brandschutz und Flexibilität nach modernsten Richtlinien ausgestatteten Systembauten liegt exakt im Zeitplan. Nach der baldigen Fertigstellung des Rohbaus folgt die Möblierung sowie die technische Ausstattung. Neben Dreibettzimmern sind auch Familienzimmer integriert, die aus zwei Räumen mit einer Verbindungstür bestehen. Das Gelände ist von viel Grün umgeben, wobei das Areal zum Teil verpachtet ist. Auch dem Prinzip »Urban Gardening « wird Rechnung getragen, denn »die Menschen wollen gärtnern und ihre eigenen Nutzpflanzen zum Verzehr anbauen«, wusste Gerhard Bock.

 

Bildung verschiedener Arbeitsgruppen

 

Zum Ende des Abends waren die Anwesenden aufgefordert, sich für eine der fünf Arbeitsgruppen zu melden, was auch rege genutzt wurde: Ob Begleitung zu Ärzten oder Behörden, Sprachförderung für Erwachsene, Hausaufgabenhilfe für Kinder, Kassenteam und Verwaltung von Sachspenden oder Freizeitgestaltung wie Sport, Spiele, Veranstaltungen oder Ausflüge – an jedem einzelnen Arbeitstisch zeugte die Diskussion von hoher Einsatzbereitschaft. Die Aufgabenverteilung beugt auch der Gefahr für den Einzelnen vor, sich zu verzetteln und alle Probleme gleichzeitig lösen zu wollen: »Haushalten Sie mit Ihren Kräften und mit Ihrer Zeit«, so der Rat des Pfarrers. Übrigens heißt der Freundeskreis jeden willkommen, der bereit ist, sich zu engagieren, ohne sich parteipolitisch vereinnahmen zu lassen – ungeachtet der eigenen Konfession oder der persönlichen Einstellung zur Kirche. Wer bereit ist, für dringend benötigte Spielsachen oder Kleidung zu spenden, kann sich gern an die evangelische und katholische Kirchengemeinde in Möhringen wenden.

 

Flüchtlinge in Stuttgart

Der »Stuttgarter Weg« bedeutet die dezentrale Unterbringung in Wohnheimen und Wohnungen verschiedenster Größe. Aktuell gibt es 65 Unterkünfte mit bis zu 220 Plätzen. Fünf freie Träger sorgen für eine adäquate Betreuung der Flüchtlinge. In Möhringen ist dies die Caritas, die auch direkter Ansprechpartner vor Ort im Lautlinger Weg ist. Ehrenamtliche Unterstützung erhält sie durch den Flüchtlingsfreundeskreis. Dessen nächstes Treffen ist für Donnerstag, 13. November, 19 Uhr, angesetzt. Wer sich dem Freundeskreis anschließen möchte oder an einer Spende interessiert ist, kann sich an Pfarrer Maier-Revoredo unter Winfried.Maier-Revoredo@ ev-kirche-moehringen.de oder 0711-7 28 60 54 wenden.

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