Was Corona mit den Kids macht

Ein turbulentes Jahr – auch im Jugendhaus Möhringen

 

Andreas Bernhard leitet seit fast 15 Jahren das Jugendhaus in Möhringen. Dieses Jahr lief so einiges ganz anders. Ein Gespräch.

 

Von Emily Schwarz

 

MA: Herr Bernhard, wie war das bisherige Jahr für Sie?

Andreas Bernhard: Seit März läuft alles komplett anders. Bis Pfingsten war das Jugendhaus komplett zu. Vieles konnte nicht wie geplant stattfinden, zum Beispiel die Freizeiten zu Ostern und Pfingsten, in denen wir sonst gemeinsam mit den Jugendlichen wegfahren. Viele Programmwochen mussten ausfallen – auch die größte, unsere Kinderspielstadt Möhrohausen zum Sommeranfang. In den Pfingstferien haben wir dann für Grundschüler eine Notbetreuung angeboten.

 

Wie haben Sie in der Schließzeit den Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen halten können?

Während des Lockdowns im Frühjahr haben wir Kisten mit Bastelangeboten in verschiedenen Variationen angeboten. Zum Beispiel verschiedene Kreativ-Angebote, eine Nähtasche und eine „Exit Box“ für Familien, die den Exit Games nachempfunden war. Insgesamt haben wir über 100 Bastelboxen vergeben. Alle übrigens umsonst. Außerdem haben wir begonnen, viel mehr über soziale Netzwerke zu arbeiten, vor allem über Instagram. Interessanterweise haben wir dabei festgestellt, dass viel mehr Eltern als gedacht in den sozialen Netzwerken aktiv sind. Unser Team ist darüber hinaus in die Maskenproduktion eingestiegen, wir haben um die 200 oder 300 genäht, und die Masken dann am Zaun vom Jugendhaus aufgehängt, sodass sich jeder gegen eine Spende mitnehmen konnte. Leute, die nicht so viel Geld hatten, konnten sich bei den nachhaltigen, bunten Masken bedienen.

 

Wie ging es nach den Pfingstferien weiter?

Nach den ersten Lockerungen durften wir – entsprechend der Quadratmeterzahl im Jugendhaus – wieder sieben Kinder und Jugendliche zeitgleich ins Haus lassen. Das ging so bis zu den Sommerferien. In denen haben dieses Jahr die „Kesselferien“ in Stuttgart stattgefunden, an denen sich verschiedene Jugend häuser beteiligten. Wir hatten fünf unterschiedliche Themenwochen für 20 Kinder und Jugendliche. Nach den Sommerferien durften 30 Personen ins Haus, inklusive Betreuer und Mitarbeiter.

 

Wie sieht es aktuell aus?

Weil wir ein Bildungs- und Betreuungsangebot bereitstellen, darf das Jugendhaus momentan geöffnet bleiben. Kontaktsport ist aber natürlich auch bei uns tabu. Das Jugendhaus ist aber nach wie vor ein möglicher Treffpunkt, um Freunde zu treffen.

 

Sind Ihnen die Jugendlichen „treu“ geblieben oder haben Sie einige „verloren“?

Einige, die sonst bei uns waren, sind weggebrochen. Einige hatten keine Lust, eine Maske zu tragen oder sich in die Liste einzutragen, die wir zwecks Infektionskette und Dokumentationspflicht führen mussten. Die sind dann wieder gegangen. Trotzdem nutzen viele weiterhin trotz Maskenpflicht unser Angebot. Die gute Beziehung zu den Mitarbeitern ist ihnen wichtig.

 

Was denken Sie, was diese Zeit mit den Jugendlichen macht?

Am meisten vermissen die Jugendlichen sicherlich ihren Platz, an dem sie einfach nur abhängen können. Dass sie sich im Moment sowieso nicht in der Gruppe treffen und ungestört austauschen können, ist sehr schwierig. Und gerade das ist so wichtig in dem Alter! Aus Gesprächen habe ich rausgehört, dass sie sich im Prinzip bei allem auf sich allein gestellt fühlen, auch wenn es Instagram und Facebook gibt, wo man sich virtuell austauscht. Dann gibt es die Abiturienten, die aufgrund der Situation nicht in ein Freiwilliges Soziales Jahr reingekommen sind und auch keine Reise machen konnten, oder Studenten, die die Uni noch nicht einmal von innen gesehen haben.

 

Wie sieht es mit den Auswirkungen auf Kindern und Jugendlichen aus schwierigen familiären Verhältnissen aus?

Normalerweise kooperieren wir viel mit den Schulen. Die Schulsozialarbeiter sind noch näher dran, denn in die Schule müssen alle – ins Jugendhaus nicht. Leider ist die Kooperation mit den Schulen aufgrund der Situation vorerst nur noch eingeschränkt möglich.

 

Ich habe zum Beispiel von Kindern gehört, die sich beim Homeschooling einfach gar nicht erst eingewählt haben oder keine Endgeräte oder Internetverbindung haben. Die Überforderung aller in den Familien durch enge Wohnverhältnisse und wenig Privatsphäre darf nicht außer Acht gelassen werden. Dieses Jahr wird sicherlich Auswirkungen haben.

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