Wer denkt an die Fische?

Weitere Leserbriefe zum Betretungsverbot von Eisflächen

 

Steigende Temperaturen verordnen dem Vergnügen des Eislaufens zwar eine Zwangspause, dennoch treibt das Thema Betretungsverbot von Eisflächen an Stuttgarter Seen – darunter auch Probst- und Riedsee – unsere Leser weiterhin um. Ein dabei bislang wenig beachteter Aspekt ist das Leiden der Fische.

 

Bei der Diskussion um das Schlittschuhlaufen wird ein wichtiger Aspekt vernachlässigt. In den Seen leben Fische. Das sind schützenswerte Wirbeltiere, die dem Tierschutz unterliegen. Fische haben ein gutes Gehör. Im Wasser wird der Schall vier Mal schneller übertragen als an der Luft. Schlittschuhlaufen, aber auch jegliche andere unnatürliche Aktivität auf dem Eis verursacht einen enormen Lärm und schreckt die Fische auf. Diese müssen ihren Stoffwechsel hochfahren und die Atmung intensivieren. Sie haben durch den unnatürlichen Lärm Stress in einer Zeit, in der sie Winterruhe halten sollten, um den Winter zu überleben. Folglich haben die Fische einen höheren Energie- und Sauerstoffverbrauch.

 

• Bei einer geschlossenen Eisdecke kann aber kein Sauerstoff aus der Luft in das Wasser gelangen und das Sonnenlicht wird meist gedämpft, sodass die Planktonalgen kaum Fotosynthese betreiben können. Dadurch ist unter dem Eis viel weniger Sauerstoff vorhanden. Besonders flache Seen haben ein geringes Wasservolumen und damit auch einen geringen Sauerstoffvorrat. Die Fische leiden unter Sauerstoffmangel, was weiteren Stress verursacht. Dazu kommt noch, dass schädliche Gase (Kohlendioxid, Methan, Schwefelwasserstoff etc.), die im Schlamm entstehen, nicht in die Luft entweichen können und sich unter dem Eis ansammeln. Das schädigt die Fische weiter. Durch den Stress und den erhöhten Stoffwechsel verbrauchen die Fische ihre Energiereserven schnell. Dann reicht die körpereigene Energie nicht mehr aus, um den durch Lärm verursachten Stress sowie die Winterzeit überstehen zu können. Die Folge kann ein Fischsterben sein, das erst nach dem Schmelzen der Eisdecke entdeckt wird. Schuld war dann das Schlittschuhlaufen.

(Manfred Wörner, stellvertretender Bezirksvorsitzender Nordwürttemberg und Kreisvorsitzender Stadtkreis Stuttgart Landesfischereiverband Baden- Württemberg)

 

• Mein Mann und ich haben das Glück, am Probstsee zu wohnen. Dieses kleine Naturschutzgebiet ist ein Refugium für Pflanzen und Tiere. Viele Menschen – und coronabedingt werden es immer mehr – genießen das Stückchen Natur. Wir denken, es wäre nicht gut für den See und die Tiere, die hier überwintern, wenn die Eisfläche befahren werden würde.

(Margit Brauch )

 

• Ich bin ein alter Möhringer, geboren 1940 in der Lehmgrube, heute Heberweg. Es gab nichts Schöneres in den Wintermonaten, gleich nach der Schule, als die Schlittschuhe zu packen und auf den Probstsee zu gehen. Ich weiß heute nicht mehr, wie oft ich ins Eis eingebrochen und mit gefrorener Hose nach Hause gegangen bin. Aber nicht nur ich, es war einfach an der Tagesordnung. In all den Jahren ist mir aber kein kritischer Fall mit Polizeiund Feuerwehreinsatz zu Ohren gekommen.

 

Es ist einfach wunderschön, nicht im Personenstrudel sich im Kreis zu drehen, sondern in der freien Natur auf einem zugefrorenen See Schlittschuh zu laufen. Probst- und Riedsee sind doch überschaubare Größen. Jeder Erwachsene hat für sich und seine Kinder immer die Verantwortung zu tragen. Die Stadt, der Staat müssen doch nicht immer alles bis ins Kleinste reglementieren.

(Heinz Walter)

 

• Früher als Kinder waren wir oft nach der Schule und an Wochenenden auf dem Probstsee zum Eishockeyspielen mit Freunden verabredet. Das war eine Riesengaudi. Es gab keinerlei Probleme und es ist niemand ins Eis eingebrochen. An den Zugangsstellen des Sees waren Schilder „Betreten der Eisfläche auf eigene Gefahr“. Aber auf einmal ist die Stadt verantwortlich und es stehen Schilder mit „Eisfläche betreten verboten“. Warum auf einmal? Unfälle passieren jeden Tag. Aber bei umsichtigem Verhalten und Einsetzen des gesunden Menschenverstandes ist es den meisten Menschen möglich, die Gefahr eines Einbrechens ins Eis abzuschätzen. Es sollte jedem Menschen selbst überlassen sein zu entscheiden, ob er das Risiko eingeht, auf den Stuttgarter Seen eiszulaufen oder nicht.

(Thomas Ganter)

 

• Seitdem es Schlittschuhe gibt, laufen Kinder und Erwachsene eigenverantwortlich auf zugefrorenen Bächen und Seen Schlittschuh. Und das soll aus Haftungsgründen plötzlich nicht mehr erlaubt sein? Verbieten wir doch auch das Autofahren oder das Fahrradfahren, und auch als Fußgänger ist man in Gefahr! Menschen, auch Kinder vor dem „Leben“ zu schützen, ist nicht Aufgabe des Staates. Er soll die Rahmenbedingungen für ein lebenswertes Leben schaffen und nicht in alles und jedes eingreifen wie eine Regulierungskrake. Wie sollen denn Kinder sich entwicklungspsychologisch zu selbstständigen Individuen entwickeln, wenn sie sich nur noch durch Vorschriftenwelten bewegen?

(Dr. med. Johann Frahm)

 

Schreiben Sie uns

Herzlichen Dank für Ihre zahlreichen Zuschriften. Wenn Ihnen etwas auf den Nägeln brennt und wir für Sie einer Sache nachgehen sollen, schreiben Sie uns gern an daniel.stoll@amwnussbaum. de

 

(Artikel aus Möhringen Aktuell, KW 21/2021)

Zurück

Einen Kommentar schreiben