Werte der Demokratie erkennen

DDR-Zeitzeuge Thomas Raufeisen berichtet aus seinem Leben

Thomas Raufeisen erzählte den Schülern von seinen Erlebnissen in der DDR.

 

Ende März hatten die 80 Schülerinnen und Schüler der drei 10. Klassen der Anne-Frank-Realschule (AFRS) Besuch aus Berlin. Thomas Raufeisen war gekommen, um aus seinem Leben zu erzählen. Mitgebracht hatte er Jens Hüttmann von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

 

Ihm ist wichtig, dass die Geschichte der DDR in den Schulen bearbeitet wird. Dafür entwickelt seine Stiftung Informations- und Unterrichtsmaterialien und vermittelt Zeitzeugengespräche, wie das in Möhringen. Der Mann, den Geschichtslehrer Holger Viereck als Zeitzeugen der DDR mit tragischen Zügen vorstellt, hat eine bewegende Geschichte zu erzählen.

 

EIn Umzug in ein anderes Leben

 

Raufeisen ist in Hannover aufgewachsen. Als er 17 Jahre alt war, packte die Familie von einem auf den anderen Tag plötzlich ihre Koffer. Dem Großvater in Ost-Berlin gehe es schlecht. Doch als der Wagen schließlich mit den Eltern und zwei Brüdern in Berlin ankam, eröffnete der Vater den beiden Jungs, dass es dem Großvater nach wie vor gut gehe. »Ich bin ein Botschafter des Friedens und stand kurz vor der Enttarnung. « »Botschafter des Friedens «, so wurden die Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS oder Stasi) genannt, die in der BRD Spitzeldienste für die DDR durchführten. Raufeisens Vater war Stasimitarbeiter und hatte viele Jahre ein Doppelleben geführt. Seine Söhne hatte er nicht eingeweiht. »Wir saßen in einem Landhaus der Staatssicherheit und ich verstand die Welt nicht mehr. Plötzlich saß da ein ganz fremder Mann vor mir!«

 

»Ich wollte nicht in der DDR bleiben. Mein Leben, so wie ich es bis dahin kannte, hatte ein jähes Ende genommen. Danach kam ich in eine Schule, die von vielen Kindern anderer Stasimitarbeiter besucht wurde.« Raufeisens älterer Bruder durfte, weil er schon volljährig war, die DDR legal verlassen. Thomas, der bleiben musste, ist aber nie heimisch im Osten geworden. Nur zwei Jahre später versuchte er die DDR illegal zu verlassen. Das brachte ihm eine Haftstrafe ein, die er 14 Monate absitzen musste.

 

Rückkehr in die Bundesrepublik

 

Waren die Schüler der AFRS schon bei der erzwungenen Übersiedlung und der Lüge des Vaters geschockt, wollten sie es nun genau wissen: »Wie hält man sowas aus? Was mussten Sie in der Haft ertragen? Haben Sie Ihrem Vater das je verziehen?« Raufeisen beantwortet alle Fragen der Jugendlichen, um dann fortzufahren: »Als ich frei gekauft wurde, war das schon etwas Besonderes für mich. Mein Leben konnte wieder neu beginnen.«

 

In der BRD angekommen, machte er eine Ausbildung als Vermessungstechniker und arbeitete später als Berufsschullehrer. Heute ist er Mitarbeiter in der Gedenkstätte Hohenschönhausen, dem Gefängnis, in dem er selbst eingesperrt war. »Es ist mir wichtig, dass ihr versteht, dass nicht alle Menschen in Freiheit und Demokratie leben. Unsere heutigen Rechte haben sich viele Generationen schwer erkämpft. Deshalb sollen wir sie auch schätzen. Es gibt noch genügend Diktaturen auf der Welt, so wie die DDR eine war.«

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